Montag, 22. Oktober 2012

"K" wie Koforidua und Kakao


In Koforidua erscheint uns alles wie ein kleiner unrealistischer afrikanischer Traum.
Wir kommen an und wie es nicht ungewöhnlich ist rennt uns schon ein Taxifahrer dem Trotro nach, um die Obrunis durch Koforidua zu fahren. Aus Phobie des sich anstauenden Autoverkehrs willigen wir – ich eher missmutig – ein. Älle san se gloi! Schon wieder ein aufdringlicher Taxifahrer, denke ich mir.
Er hat jedoch ein schönes weißes Auto, mit dem ich mich für 2 Tage, die wir in Koforidua bleiben, anfreunden kann. Etwas ungläubig frage ich ihn, woher er denn dieses schöne Auto hätte. „From my brother!“ repliziert er. Ich würde ja gerne mal die ganzen Brüder der Ghanaer kennen lernen! In der Tat gibt es große Familien, aber generell hat JEDER Ghanaer einen ominösen „Bruder“, der ihm das Auto, das Handy oder die Wohnung besorgt. Die ghanaischen Brüder sind alle anscheinend sehr reich und gebildet und waren auch alle schon mal in Europa.
Ich hätte gerne auch so einen ghanaischen Bruder, der alles kann und hat...
Nichtsdestotrotz  frage ich den Taxifahrer nach seiner Handynummer, um ihn in unsere weiteren koforiduanischen Dienste zu setzen.
Nebenbei nutzen die andere Volontärin und ich diese außerordentliche Situation aus, in der er nicht wegrennen kann, und fragen ihn über ghanisches Leben, Ghanaer im Allgemeinen und koforiduanische Biologie im Besonderen aus. Auf die Frage, was sie für ausgefallene Tiere in und um Koforidua hätten, erklärt er uns ausgedehnt und stolz: „oh, we have, greeeeen, black, white, blueeee, aaaaand orange!!!“. Aha. Vielleicht war diese Frage zu schwer.
Mit Tieren scheint er es nicht so zu haben, unser VIP-Taxifahrer, wir finden aber schnell seine Leidenschaft; Seine eigene Farm. Er erzählt uns, dass er neben dem Taxifahren noch jeden Dienstag und Sonntag auf seiner Farm verbringt und Kakao anbaut.
Mehr noch: Er verspricht uns, am nächsten Tag einen Kakaofrucht mitzubringen, etwas skeptisch muntere ich ihn mit einem „that’s nice“ auf.
Der Morgen danach:
Er scheint zuverlässig und pünktlich. Nach einem ausgedehnten Buffet-Frühstück, bei dem uns unsere euroäischen Mägen einen Purzelbaum aus Dankbarkeit und Freude über die vielen exotischen, für uns „normalen“, Delikatessen machen, starten wir mit vollen Bäuchen und dem Wissen, dass wir an dem Tag – wie auch immer – diesen Ballast wieder aufarbeiten werden. Recht hatten wir.
In der Tat! Der Taxifahrer ist kein Überstapler und hat tatsächlich eine Farm mit Kakao. Wir sind hellauf begeistert, denn er hat uns wirklich eine Kakaopflanze mitgebracht.
Ich hatte, wie ich genauso wenig die Vorstellung hatte, dass die Kuh lila ist, zwar nicht die Vorstellung, dass Kakao geröstet auf Kakaobäumen hängt, aber trotzdem muss ich zugeben, dass ich nicht sehr viel Wissen über Kakao hatte, außer dass ca. 55-80% dieses Etwases in meiner Schokolade sein muss, um meinen Gaumen zu erfreuen.
Für alle Clubmitglieder: Kakao wächst tatsächlich nicht geröstet an Bäumen, auch nicht auf der Erde! Kakao ist eine Frucht, die aus einer bestäubten Blüte an einem Kakaobaum wächst. Ein Kakaobaum ist ca. 2 Meter groß. Diese Frucht wächst dann zu einer fast handgroßen Frucht an, die dann reif ist, wenn sie sich orange verfärbt hat. Wenn man diese aufschneidet sieht man zunächst weiß. Ein weißes Fruchtfleisch, was glibberig süß schmeckt. Wenn man das Fruchtfleisch gelutscht bzw. entfernt hat, kommt die Kakaobohne heraus, die aber nicht braun ist, sie muss erst ein paar Tage getrocknet werden.
Für alle weiteren Details fragt bitte Tante Wiki!
Weiter im Tagesablauf.
Wir fahren zuerst zu einem Wasserfall, genannt „Boti waterfalls“. Es ist atemberaubend! Auch wenn der Taxifahrer nicht den Unterschied zwischen privatem Taxifahrer und Bodyguard verstanden hat und er uns auf Schritt und Tritt überallhin begleitet, obwohl wir ihm schon subtil aufdringlich unsere Ablehnung für seine Begleitung vermitteln; er bleibt standhaft.
Wir entscheiden uns heldenhaft für eine Wanderung durch den tropischen Regenwald zu dem Umbrella Rock oder zu dem anderen Wasserfall, das wissen wir noch nicht so genau. Es braucht nämlich schon ganze 15 Minuten, um überhaupt unseren guide PLUS den Taxifahrer (was er mitzureden hat – fragt mich nicht!) zu überzeugen, dass wir weitere Dienste des guides beanspruchen. Ich frage mich, warum er uns nicht um den Hals springt, dass wir ihm noch weitere 10 Cedi zahlen und er sich damit heute Abend die Wanze vollhauen könnte – ghanaische Logik, er scheint keine Lust zu haben und erst nach langem Diskutieren und weiblicher Überzeugungskraft unsererseits können wir die Männer von unserer Wanderlust begeistern.
Und dann geht’s los! Über Stock und Stein! Mehr Stein als Stock. Der Guide ist ein drahtiger Afrikaner, wir können mit seiner Ausdauer nicht mithalten. Das liegt alleine in der Tatsache, dass er die Strecke trotz seiner Arbeitseinstellung sicherlich noch öfters läuft als wir, aber ich denke – zu meiner Entschuldigung – es liegt auch an der Natur der Ghanaer (siehe Physiologie der Ghanaer, die noch in Bearbeitung ist)
Als wir nach gefühlten viel mehr als 90 Minuten strammen Laufen und Wasserverlust von ca. 10 Liter (!)  beim Umbrella Rock ankommen wartet schon unser aufdringlicher Taxifahrer auf uns, wobei ich ihn in meiner Trance eher für eine tropische Fata Morgana erkläre, bis er dann tatsächlich in langer Hose und langem Pulli (bei 40°C im Schatten), ob wir ihn denn nicht erkennen. Wir setzen ein Lächeln auf und meinen, ja, doch haben wir gerade andere afrikanische Sorgen, als ihn zu erkennen, wie z.B. Wasser!
Er lässt uns noch kurz die Aussicht genießen, schießt ein paar für Afrikaner typische Bilder von uns, bei denen man froh sein kann, dass die richtigen Personen überhaupt dargestellt werden und die dann so herangezoomt sind, dass man sie nur am Stoff der Kleidung dieser Person identifizieren kann.
Nichtsdestominder: Allein für diesen Ausblick hat sich jegliches Schwitzen und Laufen gelohnt. Wir schauen auf eine Weite von Hügeln, die alle wie im Geographielehrbuch über den tropischen Regenwald abgebildet sind. Hier ein Bananenbaum, hier ein Plantainbaum. Und zwischendrin auf den Hügeln Lehmdörfchen aus ca. 1-3 Häuschen mit alteingesessenen afrikanischen Selbstversorgern. Alles ist saftig grün und die Wolken dreidimensional, wie ich sie so nie in Deutschland sehe!
Atemberaubend.
Nach noch einem Naturwunder-Wasserfall treten wir so langsam die Heimreise an – denken wir. Unser Taxifahrer hat Besseres mit uns vor. Er fährt uns erst einmal auf seine Kakaofarm. Farm ist sicherlich übertrieben, es ist eher ein auf einem Hügel abseits der Stadt gelegenes Schräbergärtchen, was aussieht, als wäre es seit Jahren nicht mehr gepflegt worden. Hier ein Orangenbäumchen, hier ein Okru-Pflänzchen und um alles herum überall Kakaobäume. Seine eigene Farm ist außer der Information, die ich über Kakao erhaschen kann, welche ich euch ja schon anfangs zum Besten gegeben habe, nicht sehr interessant. Interessant wird es, als sich der „Vater“ von unserem Taxifahrer anschließt (diese Vaterschaft ist für mich genauso fraglich wie die Brüderschaften der Ghanaer....).
Wir fahren nun 30 Minuten weiter auf die andere Seite der Stadt, um uns die Farm des Vaters anzuschauen, der auch Kaffee anbaut.
Wir kommen hier zum Nebenfarmer, der auf dem Territorium der Regierung angestellt ist, zum Reden. Er beantwortet uns alle Fragen rund um den Kakao.
Kakao nennt man hier auch das ghanaische Gold.
Die Regierung besitzt einen Großteil der ganzen Farmen in Ghana und stellt die Arbeiter dann an. Sind die Farmen in Privatbesitz, so wird meistens die Person, die sich um die Farm kümmert prozentual am Gewinn beteiligt, einer Person, die also nicht für die Regierung arbeitet hat zum Einen einen finanziellen Vorteil, ist aber bei schlechter Ernte in gut Deutsch gearscht und hat des Weiteren auch nicht den Komfort der Maschinen, die die Arbeit ungemein erleichtern. Den einzigen Traktor in ganz Ghana habe ich auf der Farm der Regierung gesehen und als es bei unserem Besuch anfängt zu schütten, was es ja jeden Tag in dieser Region macht, muss der Farmer der Regierung einfach nur ein Eisengestell über die trocknenden Kakaobohnen schieben, währenddessen die Farmer von Privatbesitz Bananenblätter über ihre ganzen Kakaobohnen legen müssen.
Es hat beides seine Vor- und Nachteile.
Kurios ist die Tatsache, dass weder der Farmer der Regierung, der uns äußerst kompetent in seinem Metier erschien, noch die Farmer, denen die Farm gehörten, wussten, wie viel Cedi sie für einen Sack Kakao (64kg) bekommen. Mir ist natürlich klar, dass noch nicht einmal der DAX so schwankt wie die Kakaopreise auf dem Weltmarkt, aber selbst den Preis der letzten verkauften Säcke konnten sie uns nicht nennen.

Auf unsere etwas tückisch gestellte Frage, ob hier auch Kinder auf den Farmen helfen, streitet der Taxifahrer das vehement ab. Mit jedem weiteren Satz räumt er jedoch mehr Freiheit und Legitimation ein, dass auch Kinder helfen. Im Endeffekt sieht es also so aus, dass keine Kinder auf der Regierungsfarm arbeiten, aber es sehr gut sein kann, dass eine komplette Familie eine Farm bestellt, was sich als sehr zeit- und kraftaufwendig herausstellt, da Kakao das ganze Jahr über wächst.

Ich beneide ihn und meine, wenn ich hier auf der Farm arbeiten würde, tränke ich sichrlich von morgens bis abends Kaffee und äße getrocknete Kakaobohnen.
Der Vater lacht nur und sagt er trinke NIE Kaffee, das mache nicht stark und sei „foreign food“. Banku morgens, Banku mittags und Banku abends mache stark! Kaffee trinken nur die Ausländer, sein Magen sei daran gar nicht gewöhnt und er wolle ihn auch nicht daran gewöhnen. Nun gut, Ghana ist ein freies Land.

Über das komplette Gespräch hin, das wir über Kakao führen kommt der angebliche Vater unseres Taxifahrers immer zu einem nervigen Punkt: WIR sollen doch unbedingt eine Farm kaufen! Ich habe ihm  hoch und heilig versprochen, dass ich allen meinen Freunden diesen ultimativen Tipp weitergeben werde! Das Argument, dass ich noch nicht einmal fertig studiert habe, woher ich also das Geld holen solle, eine Farm zu unterhalten, zählt nicht, denn Obrunis haben doch sowieso IMMER Geld?!
Und sowieso, man müsste nur 1-2 Mal im Jahr herüberfliegen, um zu schauen, ob alles in bester Ordnung ist. Natürlich würde man dann alles prozentual teilen, zu welchem Prozentsatz ist noch nicht vereinbart und sicherlich auf Verhandlungsbasis. Er könne es jedem nur empfehlen, eine Farm in Ghana zu kaufen, allein um sagen zu können, man habe eine Farm in Ghana!
Außerdem ist Koforidua eine wunderschöne Umgebung und herrlich, um es ab und zu zu besuchen, ein reicher Mann für deutsche Verhältnisse wird man jedoch mit so einer kleinen Farm nicht, da muss man schon andere Geschütze auffahren. 
Ich würde mir dieses vage Geschäft, liebe Freunde, dann aber doch noch einmal durch den Kopf gehen lassen und vor der endgültigen Entscheidung erst einmal die ghanaische Arbeitsmoral der zukünftigen „Schaffer“ observieren... 

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