Falls ihr euch schon die letzten 2 Monate mit schlaflosen
Nächten herumplagt, weil ihr zwar Anekdötchen aus meinem Leben in Ghana lesen
durftet, jedoch die große Frage: „was macht die Judith eigentlich den ganzen
lieben langen Tag?“ immer noch nicht geklärt ist, erlöse ich euch hiermit ganz
offiziell von diesen Qualen.
Ich fange besser ganz von Anfang an, nämlich mit meinem
Wecker um 4.30.
(Bei euch 6.30, was es aber sicherlich nicht besser macht!)
Die Kinder werden schon so früh geweckt, weil sich alle
baden müssen und es dann an die Hausarbeit geht.
Jedes Kind hat eine „duty“, die es im Haus morgens
verrichten muss. Bad putzen, Fenster putzen, Boden putzen... . Afrikaner sind
von Grund auf so sauber, dass sie sogar den Sand kehren – kein Scherz! Und
bitte fragt nicht nach dem Sinn, das hat nämlich keinen Sinn, denn ihr werdet
keine zufriedenstellende Antwort bekommen. Ich sage nur „(->)toothbrushing
before breakfast“.
Danach geht es zum Frühstück. Ich habe für jede Mahlzeit
einen Tisch zugeteilt bekommen, zudem hat jedes Kind einen eigenen Sitzplatz
auf der Bank; alles ist geregelt und muss tagtäglich eingehalten werden. Wenn
nicht ist das System überladen – system overloaded, wie wir hier so gerne sagen
– und es funktioniert für die nächsten Minuten/Stunden/Tage nichts mehr.
Nach dem Frühstück, an dem ich nur da sitze und mir der
Magen knurrt, gehen die andere Volontärin und ich frühstücken. Die Tortur, dass
wir nach 2h Wachsein immer noch nicht essen lohnt sich tagtäglich: Wir nehmen unser
Frühstück in Ruhe und mit wundervollem Ausblick auf den letzten Streifen des
Meereshorizonts ein, nachdem die Kinder in die Schule sind.
Am Nachmittag kann es vorkommen, dass wir außer einem
meeting oder etwas office work nichts zu tun haben. In dieser Zeit beschäftigen
wir uns selber, überlegen uns, was wir am Nachmittag machen oder lassen uns vom
ghanaischen Phlegma leiten.
Mittags um 12 haben wir manchmal „dining-hall-Dienst“. Wie
schon gesagt ist die Schule auch auf dem Gelände, die Kinder und die externen
Schüler essen somit auch in unserer dining hall. Jetzt stürmen ca. 200 Kinder
in die Halle und werden wie Raubtiere gefüttert und gezähmt.
Gezähmt wird nach pädagogischen Grundprinzipien der 50-er
Jahre. Wer nicht spurt, das Hemd falsch anhat, redet, oder einfach dem Lehrer
nicht gefällt muss sich auf die Bank stellen, rechter Arm nach oben, linker
hinter den Kopf, während die anderen ihr Essen in sich hineinschlingen.
Meine Aufgabe hierbei ist es, den Wasserspender zu spielen,
übersetzt: den Wasserhahn auf- und zudrehen.
Nun, ich wäre nicht ich, wenn ich die Kinder dabei nicht zur
Dankbarkeit und wenn das nicht, wenigstens zur Höflichkeit erziehen würde. Bei
jedem noch so großen Ansturm gewahre ich mir den Vorsatz, jedem Kind erst einmal
ein „please“ zu entlocken.
Die Kinder kommen angestürmt, als hätten sie seit Wochen
keinen Wassertropfen mehr gehabt (man bemerke: die externen Schüler kommen
normalerweise aus finanziell gutbetuchten Familien) und würden mich, die eine
Arbeitskraft, ein MENSCH ist, kaum bemerken. Sie strecken den Becher hin:
„wataaa!“ (water).
So langsam habe ich mir schon einen Namen als annoying
Obruni gemacht – jedenfalls kennen sie mich schon und grüßen mich alle
ehrfürchtig in der Angst, ich könnte den Harn wieder abstellen.
Nach so viel Stress und einem guten, jedoch weniger
ausgewogenem, aber leckeren(!) Mittagessen haben wir uns eine Siesta redlich verdient!
Nach der Siesta kommen die Kinder nach Hause.
„Good afternoon, Ma Judith!“ ist da der meistbenutze Satz in
der nächsten halben Stunde. Wir platzieren uns immer genau im Eingang und
begrüßen alle Kinder von der Schule, jeden wie er es braucht und will. Manche
mit einem netten distanzierten Lächeln, manche mit einer Umarmung.
Danach haben die Kinder kurz Zeit: ziehen sich um, waschen
Kleider – die Zeit vergeht irgendwie immer bis es zur Hausaufgabenbetreuung
geht, in der ich auch eine Gruppe leite. Hausaufgaben werden gemacht, Gedichte
gedichtet, Hangman gespielt...
Die Zeit am Nachmittag vergeht wie im Flug! Schon ist die
Hausaufgabenbetreuung vorbei, da ist nur noch eine h übrig, in der gespielt
werden kann.
Das ist die Stunde des Tages, weil wir dann Zeit mit den
Kindern haben können, die wir selbst gestalten. Manchmal treffen wir uns mit
ein paar Kindern und lernen ein neues Lied, ich gebe Nachhilfe, spiele UNO mit
den Kindern oder lerne Trommeln – luxuriöser Privatunterricht bei Afrikanern:
priceless!
Dann ist schon Abendessen, evening devotion (Abendgebet auf afrikanisch) und
„bathing time“.
Abends schreibe ich die Tagebücher der Kinder, in denen ich
festhalte, was das Kind erlebt hat, was gut war oder wo es nicht "gespurt" hat.
So sieht ein normaler Alltagstag aus, das Wochenende sieht
natürlich anders aus, da gilt es länger zu schlafen (2h!), mehr putzen und mehr
Freizeit!
Liest man sich den Tagesablauf durch, muss ich zugeben, dass
es sich nach weniger anhört, als es ist und ich garantiere euch: Der Tag
vergeht schneller als man überhaupt merkt und – flupp – bin ich wieder Zuhause!
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