In diesem Punkt kann ich dem Vorurteil, dass alle Afrikaner
um den Busch tanzen und trommeln, zum großen Teil zustimmen. Nicht, dass sie
hier wirklich in Adam-und-Eva-Bekleidung ums Feuer tanzen würden – davon sind
sie weit entfernt und ich bin jeden Tag aufs Neue erstaunt, wie zivilisiert und
europäisch es trotz Allem hier zugeht – nein, es geht um die Musik!
Afrikaner leben mit Musik. Gibt es irgendetwas, was nur
annähernd eine Klangfläche in sich birgt, so wird es sofort zum Trommeln
benutzt.
Sobald ich aufwache, sei es um 4 Uhr morgens, und ich höre gerade jemanden am Wassertank Wasser holen; ich kann mir sicher sein, dass derjenige auf den buckets den Rhythmus eines mir jetzt endlich bekannten Liedes verklanglicht. Wenn es kein bucket ist, dann ist es die Tupperbox, eine Wasserflasche, oder Rohstoffe wie Hölzchen oder Steinchen, die sich aneinander reiben oder aufeinander schlagen, um einen harmonischen Laut entstehen zu lassen.
Sobald ich aufwache, sei es um 4 Uhr morgens, und ich höre gerade jemanden am Wassertank Wasser holen; ich kann mir sicher sein, dass derjenige auf den buckets den Rhythmus eines mir jetzt endlich bekannten Liedes verklanglicht. Wenn es kein bucket ist, dann ist es die Tupperbox, eine Wasserflasche, oder Rohstoffe wie Hölzchen oder Steinchen, die sich aneinander reiben oder aufeinander schlagen, um einen harmonischen Laut entstehen zu lassen.
Aber auch wenn keine Materialien zur Verfügung stehen, was
ja in Afrika tendenziell häufiger der Fall ist, der Ghanaer ist um die musische
Kreativität nie verlegen.
Wenn ich die Kleinste hier bade – man bemerke sie ist 3
Jahre alt, schnalzt sie mit ihrer Zunge, formt ihre Lippen zu kussähnlicher
Stellung und lässt rhythmische Laute von sich. Und wenn sie aus tiefster Seele
heult, so ist die einzige Medizin, dass ich ihr ein Liedchen vorsinge (wobei
ich nicht sagen will, dass das in Deutschland kein wertvolles Heilmittel ist).
Auch wenn sie nur dastehen, versüßen sie sich diese Minuten,
indem sie kaum merkbar steppen und ab der Hüfte abwärts mit ihren Füßen
schwofen.
Diese Musikalität kommt sicherlich nicht von ungefähr. Auch
in so einem relativ zivilisierten Land wie Ghana, in der, um mit den Vorurteilen
jetzt ganz pro Forma aufzuräumen, bis jetzt noch niemand (oder nicht mehr) um
den Busch tanzt, haben sie sich diese Prägung beibehalten.
Es fängt früh morgens bei der „devotion“ an. Hier werden ca.
6 Lieder gesungen, immer verschiedene und kreativ aneinandergereiht, begleitet
vom rhythmisch in die Hände klatschen. Die devotion ist sicherlich ziemlich auf
das Kinderheim beschränkt und ich gehe davon aus, dass „normale“ Kinder nicht
unbedingt morgens um 6 Uhr eine private devotion abhalten. Nichtsdestominder: In der Schule geht es gleich weiter. Wenn es
keine Parade gibt – von Trommeln begleitet versteht sich – dann gibt es morgens
eine Stunde „worship“, man kann sich das ungefähr so vorstellen wie Lobpreis
Sonntags in der Gemeinde, nur ohne Predigt. Wenn beides nicht, dann bleibt
immer noch die Möglichkeit in den Klassen zu singen, was von ausnahmslos allen
Lehrern angewendet wird.
Es kommt mir so vor, dass die einzige Beschäftigung im
Kindergarten aus Singen zum Stockschlagen der
Erzieherin und auf Hänseleien des Nachbars „he beat me!“ zu schreien
besteht.
Nach der Schule gibt es in der Dining Hall essen. Hier gibt
es in der Welt des Trommelns und für den geschulten Blick ein Paradies an
Gelegenheiten, das immens hohe Trommelbedürfnis zu befriedigen. Auf dem Rücken
des Nachbars, dem Plastikteller, dem Tisch, dem Bein, der Schöpfkelle...
Die nächste Gelegenheit wieder musikalisch in Aktion zu
treten ist nach der Schule in der Abenddevotion, die ungefähr so abläuft wie
die Morgendevotion, nur dass mehr gesungen wird und dazu auch mehr geklatscht.
Abends sind die musikalischen Gemüter wohl wacher, denn jetzt wird der Rhythmus
mehr abgeändert.
Hier erfolgt Kommunikation auf Ghanaisch: Alle wissen, wann
der Rhythmus sich ändert, es wird nur nicht verbalisiert und die Weißen sind die
letzten, die es mitbekommen...
Die Zeit zwischen Schule und Abenddevotion ohne Musik kommt
auf dem Papier lang vor, sie wird jedoch mit persönlicher Würze gefüllt.
In Ghana ist es normal, dass jeder ein Handy hat. Ein Jeder,
der ein Mobiltelefon zur Verfügung hat läuft hiermit herum und lässt Musik spielen (wie die Prolls in
Deutschland) oder auch eine Predigt. Diese ähnelt mit unserem täglichen
Erschrecken der Rhetorik der Reden eines Fidel Castros oder eines Mao Zedongs
(um nicht das deutsche Pendant zu benennen).
Die 3 Lieblingsinterpreten der männlichen(!) Ghanaer (nebst
den aktuellen RnB Charts):
1.
Westlife
2.
Backstreetboys
3.
Celine Dion
(für alle Interessenten: die
aktuellen Charts in Ghana sind
- Keche: Aluguntugui
- Keche: Pressure
-Azonto Ghost)
Bemerkenswert ist gerade bei diesen nationalen Welthits,
dass komplett jeder Ghanaer dieses Lied kennt und auch noch den Videoclip
tanzen könnte. Ich könnte in der Hauptstadt beim Marktverkäufer anfangen und im
ausgelegensten Dorf Prampram beim Dorfältesten aufhören!
Dazu wird die Musik einfach für jeden offen angeboten und
gar nicht gefragt, wer welchen Stil im Moment in welcher Lautstärke begehrt. (Was
in genervter Stimmung auch als Schattenseite der musikalischen Dependenz
herausstellt, wenn man sich gerade im Internetcafé befindet und jeder Computer
ein eigenes Lied in Affenlautstärke spielt)
Ansonsten bin ich begeistert, wie musikalisch die Kinder
hier sind! Überall höre ich Summen oder Trommel und selbst die kleinen
Rabauken, ca. 10, spielen Trommeln wie begnadete Rockstars. Um nicht die
Tanzfähigkeiten auszuschmücken...
Sei das Lied, was wir ihnen beibringen oder mit ihnen singen
rhythmisch noch so schwer, ist es eine Leichtigkeit für sie.
Die andere Volontärin, die ein paar Kindern Klavier
beibringt, hat ihre größte Mühe mit den Noten und Notenbeschriftungen, jedoch
nicht mit den übertriebensten Rhythmen, bei dem jedes deutsche Kind sicherlich
ringen würde
Die Kirche gestaltet sich genau so wie der Alltag: 2/3 Musik,
1/3 Sonstiges. Es wird getanzt, gesungen, herumgelaufen, getrommelt, ins
Mikrophon geschrien und die ganze Zeit durchgeklatscht.
Es ist die lebendige afrikanische Art, die selbst der
verstockteste Europäer versteht und liebt bzw. lieben lernt.
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