Endlich ist es wieder so weit. Wir brechen aus dem Kinder
Paradies aus, rein in die harte ghanaische Realität...!
Unsere Fahrt beginnt früh morgens, es muss noch alles für
den Abflug bereit gemacht werden, geputzt, gepackt und natürlich darf die
ghanaische Ananas zum Frühstück nicht fehlen.
Wir fahren so früh los, dass wir nicht in den morgendlichen
Verkehr kommen, morgens ab 7,8 Uhr scheint es, dass ganz Ghana nur in die
Hauptstadt will, deshalb - wohl geplant - , starten wir um halb 6.
Im Dorf nehmen wir einen Trotro – so langsam habe ich mich tatsächlich an den
Zustand der Autos hier gewohnt und beginne die Fahrt mit einem Raunen an meine
Mitvolontärin: „Wow, der hier ist wirklich luxuriös“. (Wir befinden uns zu 25.
In einem großen Sprinter) Ich nehme dieses Statement sogleich wieder zurück,
als der Mann von dem hintersten Sitz nach ein paar Metern schon wieder
hinausgelassen werden will und den kompletten Trotro in Bewegung setzt samt
mich und meinem 15 Cedi Rucksack und meiner sperrigen Tasche.)
Angekommen in der Hauptstadt ordern wir ein Taxi, denn
bezüglich der Orientierung in der Hauptstadt Accra muss ich komplett passen - es
gibt weder Straßennamen, die bekannt sind, noch eine schöne römisch geplante
Stadtstruktur. Alles ist schnell, laut und ungeordnet.
Was ich aber weiß ist, dass ich jedem Taxifahrer etwas
weniger als die Hälfte seines verlangten Preises anbieten darf. Ich muss mich
dann aber auf ein ca. 5 minütiges Preisverhandeln einstellen. Beim Verhandeln,
auch wenn ich null weiß, wohin des Weges, pokere ich hoch und fahre zuerst mit
Argumenten wie „I know the place, it’s not far“ auf. 99,99% der Taxifahrer antworten jetzt „oh yes,
it’s far, there is a lot of traffic at this time“ (Traffic ist IMMER in Accra).
Jetzt werde ich ihm sagen, dass er mir doch bitte den Obibini-Preis sagen soll,
dass ich schon a looong loooong time in Africa bin und ich bitte keinen
Obruni-Preis mehr zahle. (Hochpokern ist immer gut und notwendig!)
Der Taxifahrer fängt nun an, hektisch mit den Händen um sich
zu wirbeln.
Nein! Sicherlich nicht!
Es gäbe weder Obruni Preise, noch unfaire Preise. Ghana sei
ein gerechtes Land with a lot of freedom! Jeder werde gleich behandelt, wir seien
doch schließlich Brüder und Schwestern! Aber, wie solle er denn Benzin zahlen? (Diese
letztere Frage kommt aber nur bei den äußerst harten Fällen vor, die durch
Tränendrüsenstimulation monetarischen Vorteil erhaschen wollen)
Wenn er nach diesem sich in Rage redenden Sermon auf dem
meinigen entgegenkommenden Preis immer noch nicht einwilligt, bleibe ich stur
auf der Stelle stehen, entgegne, dass man so aber weder seinen Bruder noch
seine Schwester über den Tisch zieht, ob das wirklich sein Ernst seie.
Wenn ich ganz viel Muse habe, laufe ich in angedeutetem
selbstbewussten abweisendem Schneckentempo in die Fahrtrichtung und sage „Me
daase“ (Danke auf Twi). Jetzt wird er sicherlich zu seinem Auto laufen, mir mit
seiner rechten Hand zuwinken. Ich bleibe stehen, frage ob er es zu meinem Preis
macht. Er winkt mir noch einmal zu, seinen Stolz nicht zu verletzen. Ich bleibe
hart und frage noch einmal, ob er mir entgegenkommt. Er sagt nur „let’s go“.
Ich will ihn nicht zwingen, sein ghanaisches Männerego an eine Obruni-Frau zu
verlieren. Und so setze ich mich gutgelaunt ins Taxi, weil ich genau weiß, dass
er immer noch das Geschäft seines Tages macht, alleinig das Geschäft der Woche
ist ihm soeben entgangen...
Der Taxifahrer bringt uns über – das sehe sogar ich mit
meinem orientierungslosen Blick – große Umweg durch die Reichensiedlungen zur
gefühlt größten Trotro-Station Accras. Diese ist in 2 große Parkplätze
eingeteilt, die sich noch weiter erstrecken, als wir überhaupt erfassen können.
Für deutsche Genauigkeit; es stehen auf einem Parkplatz ca. 120 Trotros, die
dann starten, wenn sie voll sind. Es gibt für uns keine ersichtlich geregelten
Abfahrtszeiten.
Wir suchen eine Verkehrsinsel, da auf diesen meist alte Männer
sitzen, die das Gewusel betrachten und es scheint, als würden sie jeden Trotro
beim Namen, Kennzeichen und Besitzer, wichtiger aber noch beim Fahrtziel
kennen. Kurios ist wirklich, dass die meisten Menschen genau wissen, welcher
Trotro wohin fährt und wann er abfährt. Wie immer: Alle wissen es, nur
kommuniziert es niemand (woher wissen sie es dann?! Und mehr noch: Wie können WIR
das System durchschauen???)
Weiter im Text. Der alte Mann, der einem weisen Dorfältesten
gleicht, schleust uns durch Marktverkäufer, Frauen mit zu verkaufenden hiesigen
Waren (Mentos, Handyaufladekarten, sauberes Trinkwasser in Plastiktüten,
Früchte, Plantainchips (!) und Teigwaren – zum Reinsetzen! ) und schreienden,
sich anpreisenden Trotrofahrern, bis wir an dem richtigen Bus stehen, der auch
noch in die richtige Richtung, in der nächsten Minute abfährt.
Es ist erstaunlich, wie wir doch eine Struktur in der
riesigen Unordnung erahnen können!
Die Fahrt aus dem riesigen Gewusel geht mit einer Predigt
einer Ghanaerin los. Ich weiß nicht, wer sie dafür autorisiert hat, sie sitzt
neben dem Fahrer, somit erahne ich, dass sie vielleicht etwas mit ihm am Hut
hat, vielleicht ist sie aber auch nur ein motivierter Fahrgast.
Sie beginnt mit einem Gebet auf Twi, worauf sie dann eine
ca. 20 minütige Predigt aufbaut, die nach demagogischen Grundprinzipien der
Rhetorik gehalten wird. Die Fahrgäste neben mir, samt den 15 anderen Fahrgästen
in dem VW-Bus großen Trotro werfen in absehbaren Abständen ein zustimmendes
„Amen“ oder „Praise the lord“ ein. Mir sind diese Leute und ihr Glauben an Gott
und daran, dass wir trotz Schrottauto sicher in Koforidua ankommen sympathisch
und mein mulmiges Gefühl verwandelt sich in Zuversicht.
Die Ghanaerin rechts neben mir - eine äußerst aktive
Verfolgerin der Predigt – nutzt ihre Multitasking Fähigkeit aus und fängt mit
ihrem alltäglichen Geschäft an. Sie scheint eine Schmuck-Marktverkäuferin zu
sein. In einer Tüte befinden sich alle ihre goldnachgemachten Ketten, in der
anderen Plastiktüte die Plastikaufhänger mit dem Logo der Billigfirma. Nicht
vergessen: Wir befinden uns in Afrika, in dem aus Not alles multifunktional
gebraucht wird; Diese Marktfrau benutzt den Plastikaufhänger der Ketten nicht
nur als Plastikaufhänger, sondern auch als Zahnseide. Sie hat nämlich gerade
das schleimige ghanaische Okru mit Banku in sich – wohl gemerkt auch aus einer
schwarzen Plastiktüte – verschlungen, was ihr wohl noch zwischen den Zähnen hängt.
In dem Hygienebewusstsein der Ghanaer benutzt sie also eine Aufhängung der
anderen für je einen Zahnzwischenraum.
Mit grobsauberen Zahnzwischenräumen benutzt sie ihre Beißer
auch noch, um die Aufhänger der Ketten zu öffnen und diese dann an die schon
angeschlonzten Plastikaufhänger zu befestigen.
Zwischenerkenntnis des Tages: Kaufe niemals Schmuck auf dem
Markt - Es könnte mit mikroskopischen Okru-Resten behaftet sein!
Um nicht weiter in Ekel zu verfallen konzentriere ich mich
auf die Umgebung. Ich sitze zum Glück auf dem Schwerpunktplatz des Trotros und
kann somit das Geschehen auf der vor uns liegenden Straße visuell kontrollieren
– meine ich zumindest.
Sobald wir aus dem gestauten Accra hinausfahren kommen wir
auch schon durch Savannen geprägte Dörfchen, weiter durch bergige Hügel, in dem
man schon die nächste Vegetation erkennen kann. Wir entfernen uns von der
Trockensavanne, hinein in den tropischen Regenwald!
Mir kommt diese Fahrt wie die hannibalische Alpenüberquerung
vor, nur dass Hannibal sicherlich nicht in so einem Affentempo über die Alpen
gerast ist.
Es fühlt sich ungefähr so an wie eine Silver Star-Fahrt im
Europa-Park, auch wenn ich diese noch nie und in meine Leben nie fahren werde.
Der Trotro will naturgemäß kein Benzin vergeuden, jeder
Schwung muss also ausgenutzt werden! Bei einem Abfall der – Gott sei Dank -
geteerten Straße uns ausnahmsweise mal ohne Schlaglöcher(!) von 45°,gefühlten
80° muss er diesen Schwung natürlich ausnutzen, brettert wie ein Idiot hinunter
und genau in der Minute geht auch wieder die Straße im 45° Winkel in einem
Bogen himmelaufwärts, währenddessen ich nur bete, dass um die Ecke nicht noch
einmal so ein Geisterfahrer uns entgegenkommt – er tat es nicht, deshalb kann
ich diesen Eintrag noch schreiben.
Wir kommen sicher in Koforidua, eine Stadt mitten im
tropischen Regenwald an.
Fortsetzung folgt bestimmt...
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