Montag, 1. Oktober 2012

Meine liebe Blog-Community!


Hier kommt endlich mein versprochener „persönlicher“ Blog-Eintrag, das heißt ALLE, die auf Gefühlsduselei keine Lust haben, sollen JETZT aufhören zu lesen!

I’m just kidding.
So schlimm wird’s nicht, meine Lieben!

Anlässlich meines kleinen Jubiläums – ich bin nämlich schon geschlagene 2(!) Monate hier – finde ich es jedoch angemessen mal von meinem Leben im Kinderheim zu erzählen, was ja auch die meiste Zeit mein Erleben hier prägt.
Wie schon gesagt, es gibt zu viele Geschichten von den Kindern, die ich euch so gerne mitteilen würde, aber die müssen leider warten, da sie die weite Welt des Webs nicht betreten dürfen.

Ich muss zugeben, dass bei allem Humor, den ich mir hier bewahrt habe, ich schon durch eine sehr harte Zeit gegangen bin in diesen ersten 2 Monaten.
Wenn man von einem Volontariat in Afrika hört, denkt wohl jeder Europäer an schwarze verhungernde, süße, nach Liebe lechzende Kinder...
Irgendwoher muss dieses Vorurteil ja kommen, doch nicht aus Ghana, wobei ich speziell ja nur von meinem Kinderheim reden darf.
Also fürs Protokoll: Nicht aus diesem Kinderheim.
Die Kinder haben sich mir jedenfalls nicht sofort um den Hals geworfen. Es hat gedauert.

Fangen wir beim Anfang an. Ich kam an und war – wie auch anders erwartet – grün hinter meinen ghanaischen Ohren. Wäre nicht die andere Volontärin da gewesen, um mich einzuarbeiten, wäre ich sicherlich jetzt noch nicht eingearbeitet, denn Ghanaer instruieren nicht. Sie korrigieren nicht und geben so gut wie keine Anweisungen, denn das empfinden sie als unhöflich. Ein klares Abstecken der auszuführenden Arbeit gibt es hier nicht, es gilt zu beobachten und nachzuahmen.
Ich war geschockt von dem scharfen Umgangston hier, den ich null erwartet hätte...

Morgens in einem Gewirr von 30 Kindern im Haus, die irgendeine undefinierbare Arbeit verrichten, die zwar auf einem Plan ausgehängt wird, doch mir niemand eine Anweisung gibt, außer dass ich bei Nachfragen „supervisen“ soll, fühlte ich mich etwas verloren und hilflos. So kommt es, dass ich morgens meist herumstand und ganz „busy supervising“  war, d.h. Tee getrunken habe während ich dachte, dass die Kinder arbeiten. Erst jetzt so langsam komme ich auf den Trichter, was die Kinder alles NICHT machen und welche Schlupflöcher sie suchen.

Ghanaische Kinder werden streng aufgezogen. Sie verstehen nur die Sprache des Schreiens und der Strafe. Diese Sprache musste ich lernen zu sprechen, um hier respektiert zu werden. Am Anfang hat genau diese einheimische Sprache mir den Strick gedreht und den Kindern die Sprache verschlagen, um es nett auszudrücken.
Es gab nach ca. 2 Wochen hier einen Vorfall an meinem Tisch, ich intervenierte, verteilte Strafen und – tschaka – keiner von meinem Tisch redete mehr mit mir. Ich kann euch nicht sagen, was in meinem Kopf umherging, auf jeden Fall viele Selbstzweifel und Verzweiflung. Was suche ich in Afrika, wenn die Kinder mich hier ignorieren? (Ich rede hier von 5 von 50 Kindern – Rationalität in solchen Situationen zu verlangen ist aber eher utopisches Wunschdenken). Was ich nicht wusste  (weil mich ja auch niemand instruiert hat), dass es komplett normal ist, dass die Kinder hier, wenn ihnen etwas nicht passt, ignorieren. Gerade das Fragilste hier in Ghana, nämlich die Kommunikation, wird bei jeglicher Störung sofort auf Eis gelegt.
Das hat natürlich nicht sooo lange angehalten, ein paar Tage jedoch schon (ca.7) ich habe mich an die Mitarbeiter gewendet, wo mir einer wirklich weitergeholfen hat. Auch die deutsche Leitung hat weitergeholfen.
Das eine führende Mädchen fühlte sich so auf den Schlips getreten, dass wir uns erst JETZT wieder annähern.

Das ist nur eine Situation von vielen, die ich hier erlebt habe, die alles andere als paradiesisch waren, aber ich habe sie gemeistert und mich merke, wie es jetzt bergauf geht.
Es hat eine lange Zeit gebraucht, (die in Erinnerungen und Erzählungen oft gerne vernachlässigt wird) überhaupt mit den Kindern warm zu werden, dass man die Namen von allen 70 hier kennt, dass die Kinder sich an schon wieder(!) eine neue Volontärin gewöhnen und vor Allem die Grenzen austesten, wie streng diese neue Möchtegern-Autorität ist... (-> Siehe: MaJudith die Hausmutter).
Die Knacknuss befindet sich in der Tatsache, dass Kinder hier genau so sind wie überall auch. Es gibt die Zicken, genauso wie die Erfinder, die Gutmütigen, genauso wie die Temperamente, die Hinterfotzigen, genauso wie die Kriminellen, aber auch die netten Unschuldigen.

Ich lerne hier viel über Entwicklungshilfe und darüber, dass nicht alles Gold ist, was auf Fotos glänzt...
Viele Konversationen sind wichtig, dass ich sie wirklich nicht missen wollen würde!
Als ich z.B. einen Jungen, der bei der Verteilung von Kleidern gerade auf sein Mangel an Schuhen hinweisen wollte, indem er  „shoes, shoes!“ rief, fragte, woher er denkt, dass die Schuhe kommen, ob diese vom Himmel regnen, lachte er und meinte von MaX, der Leiterin, einer Weißen.
Beim Weiteren Beharren meinerseits, ob er denkt, dass die Leitern das Geld für Schuhe herzaubert, grinste er und brachte den ghanaischen Standardspruch: „Me, I don’t know“.
Ich glaube ich war der Pionier seines Lebens, als ich ihm versuchte zu erklären, dass die Schuhe, die Kleidung, das Essen und alles, worin er lebt nicht von der Leiterin kommt, sondern von Menschen, die für IHN arbeiten. Dass sogar weiße Menschen arbeiten müssen, aber dass sie hart arbeiten und deswegen auch noch etwas den Kindern in Afrika abgeben (etwas Theatralik ist durch die meinige Intension denke ich gerechtfertigt). Er starrte mich mit großen schwarzen Augen an „Yes, Ma“.

Es gibt aber Aufs und Abs! Ich erlebe im Moment viel mehr Aufs, dass ich mit den größeren Mädchen besser zurecht komme, mit den Kindern spiele und ich mich heimischer fühle, weil ich so langsam weiß, was getan werden muss.  
Es sind die Nachmittage und die Gespräche mit den Kindern, die es hier lebenswert machen. Die Nachhilfestunden mit einem Jungen z.B., der 16 ist und 13 Jahre seines Lebens auf der Straße gelebt hat, dem ich versuche das Lesen und Schreiben auf spielerische seinem Alter angemessene Art näherzubringen.
Die Stunden, in denen wir singen oder UNO spielen, die Kinder einfach zu uns kommen und uns umarmen, weil sie wissen, dass wir die Umarmung erwidern!
Die church sonntags, in denen die Kinder eine Stunde lang trommeln, klatschen und singen – wir zwar nur 1% an Twi-Wörtern verstehen, aber was wir verstehen ist die Freude, die dahinter steckt!

Ihr seht also: Es ist weder schwarz noch weiß – es ist grau (bzw. braun;) )

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