Samstag, 8. September 2012

Reisen auf Ghanaisch


Alles fing an, dass ich ein paar Tage Urlaub nahm. Endlich! Weg von Kindergeschrei, weg von Zickereien und  vor Allem: Weg von der quietschenden Schaukel, die mich jeden Tag aurikulär in den Schlaf wiegt.
Mein Urlaub beginnt mit einem sündhaft leckeren Abend in einem der luxuriösten Hotels der Stadt, dem Holiday Inn. Hier besuche ich die andere Volontärin, die schon die kontrastreichsten Tage ihres Lebens verbrachte – ich folge ihr auf Schritt und Tritt... J

Die eigentliche Reise ins 150 km entfernte Cape Coast beginnt am nächsten Morgen. Mit Erkältung und der Angst vor Fieber bestellen wir einen unfreundlichen Taxi-Fahrer, der die Regel bestätigt und uns durch die halbe Stadt fährt. Für die Busfahrt nach Cape Coast haben wir uns natürlich nur die crème de la crème ausgesucht: rote VIP coaches, die sogar über eine eingebaute Toilette verfügen und uns sicherlich mit 90% weniger Stress befördern werden.
Es hätte so schön sein können, doch in Ghana Pläne zu verwirklichen gleicht einem kosmischen Wunder...
Als wir an dem völlig überfüllten VIP bus stop neben der gestauten Hauptverkehrsstraße ankommen müssen wir uns erst einmal sortieren. Zu viele Menschen schwarzer Hautfarbe, zu viele Reize,  zu viel Heiß...!
Dieser Mensch von jener hinterlistigen Art mit integriertem Schwäche-Radar, welcher jetzt auftritt, greift uns nun von der Seite an!
Es spricht uns ein aufgeregter Schwarzer an. Mit einem Tuch streift er sich alle 5 sec wieder den Schweiß von der Stirn ab.
Reserviert frage ich „Do you work here in this VIP company?“
Die Antwort in viel zu schnellem Englisch: „Oh, yes,yes!“
(Er passte wohl nicht zu gut in Mathe auf, um zu wissen, dass + und + NICHT – ergibt...)
„We want to take the bus to Cape Coast.“
Jetzt begehen wir den schlimmsten Fehler dieses Tages: Wir glauben diesem Schurken. „No, no, this bus drives not to Cape Coast, but to mhmhmh!“, aber alles nicht so schlimm: Er wisse wohin. „Come with me, my taxi is over there.“ In hypnotisierter Trance laufen wir ihm nach mit dem einzigen Verlangen nach Sicherheit und Wegweisung. Dass wir dabei dem Falschen auf den Leim gehen fällt uns erst auf dem Weg auf, nachdem wir
detektivisch die Fakten ordnen: Die Tatsache, dass er in dem VIP Unternehmen arbeite, aber uns auch gleichzeitig zu „seinem“ Taxi schleust kommt uns schon sehr ghanaisch vor. Dass er jetzt aber auch noch die Straßen in die Slums nimmt, noch ghanaischer!
Wir fahren an einer Straße voll Auto-Ersatzteile vorbei, von denen ich mich weigern würde, sie in mein Auto einzubauen – wenn ich nur eins hätte.

Der Taxi-Fahrer lässt uns in the middle of everyone aussteigen, auf einem überfüllten Markt, auf dem zu guter Letzt auch noch 3 Reisebusse stehen und fährt los.
Ein neuer Herr mit genauso viel Wegweisungsraffinesse schleust uns schon an allen Menschen vorbei, direkt zum Fahrkartenverkäufer und Gepäckverlader. Merke hierbei: Nichts ist umsonst im Land der begrenzten Möglichkeiten.

Als wir endlich auf unseren billigen hinteren Plätzen sitzen können wir aufatmen.
Zu früh gefreut: Die afrikanische 200 Kilo Tonne, die wir schon draußen mit den schlimmsten Befürchtungen beobachteten kämpft sich den Weg bis zu uns nach hinten und setzt sich über den Gang, der dann kaum mehr besteht, neben die andere Volontärin. Ich raune ihr schmunzelnd „Jackpot“ zu und freue mich, ganz hinten in der Mitte zu sitzen. Zu früh gefreut, aber dazu später.
Ich fühle mich wie in einem schlechten Film, wobei ich über Kausalitätszusammenhänge philosophiere, ob nun die Filme das Leben kopieren, oder das Leben die Filme...

Währenddessen holpern wir über Stock und Stein, sprich über die unmöglichsten Straßen, die eine Hauptstadt je sah, aus den Slums auf die „normalen“ Straßen, da tritt schon direkt 10 Meter vor mir ein schwarzer Mann auf.
Ein selbsternannter Wanderprediger, von denen wir schon im Reiseführer lasen? Ein Marktschreier? Diktator? Geisterbeschwörer? Gehirnwäscher?
Nein, ein Grüner Teeverkäufer!
Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, sollte einem zweiten standhalten.
Er fängt an auf Twi den Grünen Tee anzupreisen. Zuerst mit dem kleinsten Argument, was er dann immer weiter steigert – das können wir an der Lautstärke seiner Stimme erkennen.
Obwohl ich außer „Danke“, „Nein“, „Ja“ und „ich bin müde“ (profundester Wortschatz hier!) nichts in Twi verstehe, kann ich doch recht gut die Anpreisungstaktik des Verkäufers erkennen.
Zuerst ein kleiner Exkurs über die Lage und Behandlung der Teeblätter, weiter zur unübertrefflichen Wirkung des Tees. Seit einem Jahr, beteuert der Verkäufer selbstlos, hätte er nicht mehr ins Krankenhaus müssen wegen seiner Herzinfarktgefährdung und müsste kein Marcumar zur Blutverdünnung mehr nehmen! Ob dieser Mensch sich überhaupt von seinem Verdienst Marcumar leisten konnte ist fraglich und somit auch sein Verkaufsargument. Fakt ist, dass mehr Ghanaer ihm auf den Leim gehen als gedacht, vielleicht konnte er sich doch Marcumar leisten...

Ich bin erst einmal froh, dass die Ghanaer mit ihrer Lieblingsseifenoper abgespeist werden, die nur um schäbige Seitentritte, Mord ,Totschlag und Beschwörung geht. Die Special-Effects gleichen einem Grundschulcomputerkurs und die Tonqualität Seifenopern der 50er Jahre.
Ich schließe mit einem Zitat einer deutschen Mitarbeiterin: „Man kann hier nur den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“. TATSACHE.




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