So, meine Lieben. Jetzt melde ich mal wieder!
Viele Leute haben mir die Rückmeldung gegeben, dass es zwar interessant und schön ist, meine Berichte über Ghana zu lesen, aber ihnen fehlt, dass ich schreibe, wie es MIR geht.
Nun, das ist leichter gefordert als getan... :)
Problem ist, dass ich keine "Innereien" aus dem Kinderheim veröffentlichen darf, aus rechtlichen Gründen, und auch keine Bilder von den Kindern veröffentlichen darf. Einfach weil die Kinder geschützt werden sollen. Ich hätte so viele Bilder, die ich euch gerne zeigen würde, aber dann erst wenn ich Zuhause bin..
Ich werde versuchen, in meinem nächsten Artikel mehr auf mich persönlich einzugehen, wie es mir im Kinderheim geht und wie meine Arbeit aussieht (das sollte am Wochenende sein, wenn ich mein Internetbedarf wieder auffüllen kann!).
Ihr wisst also, worauf ihr euch freuen könnt.
Ich drücke euch ganz arg!
P.S.: Ach ja, genießt eure Dusche heute Abend! ;)
Dienstag, 25. September 2012
Freitag, 14. September 2012
Gib mir Liebe und ich zeig dir, wo's lang geht!
Gestern schauten die Mädchen und ich einen Film zusammen.
„Dear God“. Alle, die den Film kennen, wissen, dass selbst ein Mensch mit einem
Herz aus Stein mindestens am Ende des Films ein Kullertränchen verdrücken muss
und alle, die dazu mich kennen, wissen, dass ich maximale Krokodils Tränen
heule.
Während des Films versuche ich schon, das Stofftier neben
meinem Laptop zu fixieren, um ja nicht die visuelle Stimulation für das
Zutragen zur Ausschüttung der salzahltigen Flüssigkeit in meine Augen zu
unterstützen. Ich versuche mich an Bauernpsychologie, indem ich versuche an
mein schönstes Erlebnis und amüsante Geschichten zu denken.
Es funktioniert, wenn auch mit vermindertem Wasserdurchlass.
Sicherlich wäre es nicht so schamvoll für mich gewesen, Tränchen
zu verdrücken, wären die Kinder links und rechts neben mir auch in Rührung
ausgebrochen – sind sie aber nicht!
Kann es wirklich sein, dass die Quote unter 10 afrikanischen
Mädchen, die vor lauter Emotionen von einem Film heulen muss gleich 0 ist und
dass die Deutschland-Quote bei 100 liegt?
Ich ahne, dass ich es hierbei nicht mit einer Anomalie der
zufälligen Probandenauswahl, sondern mit einem Fehler im System zu tun habe.
Sogleich versuche ich diesem auf den Grund zu gehen...
Emotionen sind in Ghana ein Zeichen von Schwäche. Es wird
unter keinen Umständen über sie geredet. Kinder werden, sobald sie laufen
können, als Arbeiter gesehen und ich glaube kaum, dass es zuträglich wäre, wenn
man es diesen kleinen Kindern beibringen würde, über ihre Gefühle zu sprechen.
Es ist hier allbekannt, dass eine Mutter, die ihr Kind
liebkost und zärtlich umarmt, stirbt.
Allein, wenn man sich diese dörfliche „Weisheit“ auf der
Zunge zergehen lässt kann man sich den zärtlichen Umgang mit den Kindern und
damit später auch unter Erwachsenen vorstellen. Ich schreibe ihn gerne noch
einmal:
Eine Mutter, die ihr Kind liebkost und zärtlich umarmt,
stirbt.
Ich habe hier noch nie eine Mutter gesehen, die ihr Kind
umarmt hat. Die einzige Ausnahme war, als ein Kind im Kinderheim der eigenen
Mutter auf meinen Impuls hin hinterhergerannt ist, um sie zu umarmen, was die
junge Mutter(20) dann nicht ausschlagen konnte. Das Mädchen ist 7 und ist nicht
ihrem eigenen Impuls nachgegangen, von ihrer Mutter eine Umarmung als Abschied
für ich weiß nicht wie lange abzuverlangen!
Auch wenn ich mich hier noch nicht auf der unteren Seite der
Erdhalbkugel befinde, steht trotzdem alles Kopf.
Wie kommt es, dass eine Kultur sich selbst so peinigt? Wieso
machen es sich die Leute selbst so schwer? Warum richten sie sich emotional
selbst zugrunde? Warum wird das intuitive Verlangen nach Liebe so verbannt?
(Das Verlangen besteht in der Tat auch hier von den Kindern aus!)
Wo bleibt die für die Entwicklung unverzichtbare physische
Stimulation?
Wo bleibt Flower-Power? Wo bleiben die Hippies, die „make
love“ proklamieren?
Ghana braucht nicht nur einen Kant und einen Rousseau,
sondern es fehlt auch an Novalis oder Eichendorff! Aber wie würden diese auch
ganz Ghana erreichen mit ihren romantischen Schriften und ihrer unverzichtbaren
Lyrik – in 46 Sprachen?!
Dies ist jedoch ein anderes Kapitel, an dem ich weiterforschen
werde.
Zurück zu den Emotionen.
Wir deutschsprachigen Volontäre, voller Elan, ausgestattet
mit deutscher Pädagogik und einer Fülle von Zärtlichkeiten, die versuchen sich
hier durchzuschlagen, merken, dass wir sofort damit auf die Nase fliegen.
Körperlicher Kontakt wird zwar (meistenteils) von den
kleinen Kindern beantwortet, doch auch diese sind schon so in der ghanaischen
Tradition verhaftet, dass sie logisch ghanaisch denken können.
Wenn sie 1 und 1 zusammenzählen: 1. Emotionen sind schwach + Obrunis verschenken Emotionen = Obrunis sind
schwach = man kann mit ihnen machen, was man will!
So sieht’s aus!
Sobald man den Kindern hier Liebe und körperliche
Zärtlichkeiten schenkt, sie in den Arm nimmt, streichelt, krault oder sonstiges
– wo man Zuhause Beziehungen damit vertieft – kann man sich sicher sein, dass
sie im nächsten Augenblick tun und lassen, was sie wollen. Dann wird auf keine
Regeln mehr Rücksicht genommen, rumgeblödelt, Anweisungen der Obrunis
missachtet, usw...
Was soll man also tun? Die kalte Schulter zeigen, damit sie
einen respektieren?
Ich denke, die mit schwierigste Aufgabe hier für die Weißen
ist es, den Kindern zu vermitteln, dass man ihnen gerne und aufrichtig Liebe
schenkt, dass Emotionen stark sind, sie zu äußern und dass Autoritätspersonen,
wie Erzieher, beides können: Lieben und streng sein und mehr noch, dass Emotionen für die eigene Seelenhygiene wichtig sind.
Es ist schwierig die Waage von völliger Anpassung aus
Verzweiflung und das hier passende Gut meiner eigenen Kultur zu finden und anzuwenden.
Was jedoch auch falsch wäre, die Kinder völlig europäisch zu
erziehen. Stelle man sich vor, sie würden hier auf einer europäischen Insel
völlig liebevoll, verständnisvoll, liberal aufgezogen werden. Irgendwann in
ihrem Leben müssen sie das Kinder Paradise verlassen. Was dann?
Sie wären nicht lebensfähig in der emotionslosen
hierarchischen ghanaischen Welt. Sie würden belächelt werden, würden sie nur
verlauten, dass der Knochenbruch, den sie sich gerade zugezogen haben, weh tut!
Schmerz und Emotionen werden einfach
nicht kommuniziert. Punkt.
Wie kann man den Kindern Emotionen zulassen, wenn man dabei
doch eigentlich herzlos ist, weil sie später noch mehr unter der Gesellschaft
leiden werden?
Doch hat sich Gesellschaft nicht immer unter dem Leid
einiger oder vieler geändert?
Wie viel „Leid“ braucht es, um Ghana zu verändern?
Aber mehr noch: habe ich überhaupt das Recht, so über die
Kultur hier zu urteilen?
Was ist mit unserer Psychologie und unseren Erkenntnissen
über Kindererziehung und Pädagogik? Es gibt sicherlich viele „richtige“
Erziehungsansätze – welche sind falsch?
Ihr lest mich wieder einmal sprachlos, aber neugierig!
Samstag, 8. September 2012
Reisen auf Ghanaisch
Alles fing an, dass ich ein paar Tage Urlaub nahm. Endlich!
Weg von Kindergeschrei, weg von Zickereien und
vor Allem: Weg von der quietschenden Schaukel, die mich jeden Tag
aurikulär in den Schlaf wiegt.
Mein Urlaub beginnt mit einem sündhaft leckeren Abend in
einem der luxuriösten Hotels der Stadt, dem Holiday Inn. Hier besuche ich die
andere Volontärin, die schon die kontrastreichsten Tage ihres Lebens verbrachte
– ich folge ihr auf Schritt und Tritt... J
Die eigentliche Reise ins 150 km entfernte Cape Coast
beginnt am nächsten Morgen. Mit Erkältung und der Angst vor Fieber bestellen
wir einen unfreundlichen Taxi-Fahrer, der die Regel bestätigt und uns durch die
halbe Stadt fährt. Für die Busfahrt nach Cape Coast haben wir uns natürlich nur
die crème de la crème ausgesucht: rote VIP coaches, die sogar über eine
eingebaute Toilette verfügen und uns sicherlich mit 90% weniger Stress befördern
werden.
Es hätte so schön sein können, doch in Ghana Pläne zu
verwirklichen gleicht einem kosmischen Wunder...
Als wir an dem völlig überfüllten VIP bus stop neben der
gestauten Hauptverkehrsstraße ankommen müssen wir uns erst einmal sortieren. Zu
viele Menschen schwarzer Hautfarbe, zu viele Reize, zu viel Heiß...!
Dieser Mensch von jener hinterlistigen Art mit integriertem
Schwäche-Radar, welcher jetzt auftritt, greift uns nun von der Seite an!
Es spricht uns ein aufgeregter Schwarzer an. Mit einem Tuch
streift er sich alle 5 sec wieder den Schweiß von der Stirn ab.
Reserviert frage ich „Do you work here in this VIP company?“
Die Antwort in viel zu schnellem Englisch: „Oh, yes,yes!“
(Er passte wohl nicht zu gut in Mathe auf, um zu wissen,
dass + und + NICHT – ergibt...)
„We want to take the bus to Cape Coast.“
Jetzt begehen wir den schlimmsten Fehler dieses Tages: Wir
glauben diesem Schurken. „No, no, this bus drives not to Cape Coast, but to
mhmhmh!“, aber alles nicht so schlimm: Er wisse wohin. „Come with me, my taxi
is over there.“ In hypnotisierter Trance laufen wir ihm nach mit dem einzigen
Verlangen nach Sicherheit und Wegweisung. Dass wir dabei dem Falschen auf den
Leim gehen fällt uns erst auf dem Weg auf, nachdem wir
detektivisch die Fakten ordnen: Die Tatsache, dass er in dem
VIP Unternehmen arbeite, aber uns auch gleichzeitig zu „seinem“ Taxi
schleust kommt uns schon sehr ghanaisch vor. Dass er jetzt aber auch noch die
Straßen in die Slums nimmt, noch ghanaischer!
Wir fahren an einer Straße voll Auto-Ersatzteile vorbei, von
denen ich mich weigern würde, sie in mein Auto einzubauen – wenn ich nur eins
hätte.
Der Taxi-Fahrer lässt uns in the middle of everyone
aussteigen, auf einem überfüllten Markt, auf dem zu guter Letzt auch noch 3
Reisebusse stehen und fährt los.
Ein neuer Herr mit genauso viel Wegweisungsraffinesse
schleust uns schon an allen Menschen vorbei, direkt zum Fahrkartenverkäufer und
Gepäckverlader. Merke hierbei: Nichts ist umsonst im Land der begrenzten
Möglichkeiten.
Als wir endlich auf unseren billigen hinteren Plätzen sitzen
können wir aufatmen.
Zu früh gefreut: Die afrikanische 200 Kilo Tonne, die wir
schon draußen mit den schlimmsten Befürchtungen beobachteten kämpft sich den
Weg bis zu uns nach hinten und setzt sich über den Gang, der dann kaum mehr
besteht, neben die andere Volontärin. Ich raune ihr schmunzelnd „Jackpot“ zu
und freue mich, ganz hinten in der Mitte zu sitzen. Zu früh gefreut, aber dazu
später.
Ich fühle mich wie in einem schlechten Film, wobei ich über Kausalitätszusammenhänge
philosophiere, ob nun die Filme das Leben kopieren, oder das Leben die Filme...
Währenddessen holpern wir über Stock und Stein, sprich über
die unmöglichsten Straßen, die eine Hauptstadt je sah, aus den Slums auf die
„normalen“ Straßen, da tritt schon direkt 10 Meter vor mir ein schwarzer Mann
auf.
Ein selbsternannter Wanderprediger, von denen wir schon im
Reiseführer lasen? Ein Marktschreier? Diktator? Geisterbeschwörer?
Gehirnwäscher?
Nein, ein Grüner Teeverkäufer!
Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, sollte einem
zweiten standhalten.
Er fängt an auf Twi den Grünen Tee anzupreisen. Zuerst mit
dem kleinsten Argument, was er dann immer weiter steigert – das können wir an
der Lautstärke seiner Stimme erkennen.
Obwohl ich außer „Danke“, „Nein“, „Ja“ und „ich bin müde“
(profundester Wortschatz hier!) nichts in Twi verstehe, kann ich doch recht gut
die Anpreisungstaktik des Verkäufers erkennen.
Zuerst ein kleiner Exkurs über die Lage und Behandlung der
Teeblätter, weiter zur unübertrefflichen Wirkung des Tees. Seit einem Jahr,
beteuert der Verkäufer selbstlos, hätte er nicht mehr ins Krankenhaus müssen
wegen seiner Herzinfarktgefährdung und müsste kein Marcumar zur Blutverdünnung
mehr nehmen! Ob dieser Mensch sich überhaupt von seinem Verdienst Marcumar
leisten konnte ist fraglich und somit auch sein Verkaufsargument. Fakt ist,
dass mehr Ghanaer ihm auf den Leim gehen als gedacht, vielleicht konnte er sich
doch Marcumar leisten...
Ich bin erst einmal froh, dass die Ghanaer mit ihrer
Lieblingsseifenoper abgespeist werden, die nur um schäbige Seitentritte, Mord ,Totschlag
und Beschwörung geht. Die Special-Effects gleichen einem Grundschulcomputerkurs
und die Tonqualität Seifenopern der 50er Jahre.
Ich schließe mit einem Zitat einer deutschen Mitarbeiterin:
„Man kann hier nur den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“. TATSACHE.
Über Entwicklungshilfe und Kopfschütteln
Vor ein paar Tagen haben wir den store room des Kinderheims
ausgemistet.
Der store room ist eine Art „Omas Abstellkammer“, in dem ein
noch riesigeres Chaos herrschte als in den Köpfen derer, die ihn ordnen
sollten.
Voller Elan fängt eine Gruppe von ca. 20 Leuten an, alles
auszuräumen.
Mit alles meine ich etwa die Hälfte des Raumes, die sich
dann auf den Tischen in der großen Halle befinden und auf ihr Ordnungsurteil
warten.
Ich falle innerlich aus allen Wolken.
Für mich ist es schon einmal eine großartige Überraschung,
dass es ÜBERHAUPT einen store room gibt, worin in meinem deutschen
Potentialerkennungs- und Potentialverwendungsraster sicherlich einiges hängen
bleiben könnte... (Hierbei hege ich fraglos die Hoffnung, die vielen Art classes,
die auf mich abgeschoben werden, sinnvoll zu nutzen und neues Material dafür zu
bekommen)
Ich selber wusste nur von Papier und Stiften, die zur
Verfügung standen, um die art classes „kreativ“ zu nutzen. Wobei diese
Rohstoffe mir bis vor einigen Minuten auch als Mangelware erschienen.
Was wir aus dem store room tragen ist kaum fassbar: Stifte(!), Blöcke(!), ein Haufen Karten- und
Brettspiele, aber auch Draußen-Spiele, die wahrscheinlich selbst den Besitz
eines deutschen Kinderheims übertreffen würden, Bastelsachen in Hülle und
Fülle, CDs, DVDs, Zeitschriften,...
Alles Spenden aus der ganzen Welt.
Dass es dieses alles hier en Masse gibt, es hier somit fast
dieselbe Ausgangssituation für die Freizeitgestaltung besteht wie z.B. bei uns,
erfüllt mich mit Freude, Erstaunen, aber auch Kopfschütteln und Wehmut – über
diese Gefühle und ihre Gründe werde ich später noch einmal eingehen.
Die Kinder und wahrscheinlich selbst die Hausmütter sind im
Glauben, dass sie mit den wenigsten Mitteln auskommen müssen. Die Kinder
besitzen noch nicht einmal Stifte, diese bekommen sie nur in der Schule!
Warum also werden diese Schätze wie so viel anderes hier auch
der Verrottung ausgesetzt und nicht einfach benutzt???
Das größte Problem ist, dass die Einheimischen hier damit
nicht umgehen können!
Es sind alles Spenden aus fernen Ländern, doch die
Einheimischen haben nie gelernt, wie man diese praktisch in den Alltag integrieren
kann, geschweige denn, dass man damit das Leben auch noch verbessern könnte!
Selbst wenn sie es gelernt haben, es setzt sich nicht in die Tat um!
Wenn die Hausmütter hier Bastelsachen sehen, können sie
damit äquivalent wohl im ersten Moment genauso viel anfangen wie Deutsche mit einem
UFO.
Wer könnte es ihnen verübeln?
Der einzige Unterschied zu den Deutschen ist, dass diese
wohl - getrieben von ihrem unermüdlichen Entdeckergeist - das UFO so lange auf
Herz und Niere, bzw. auf Innereien erforschen würden, damit sie innerhalb von
ein paar Monaten Studien, Experimente, Untersuchungen, Statistiken...
vorzuweisen haben, die die Aktivität und das Benutzungspotential dieses UFOs
für die Zukunft bestätigen, erläutern und voraussagen können. Das
UFO-Äquivalenz in Ghana, also die Bastelsachen, wird hier in Ghana nicht
angetastet – es könnte ja im schlimmsten Falle von Außerirdischen sein...!
à la: was Der Bauer net kennt, das frisst er net!
(Das sollte ich im Hinblick auf das Essen auch einführen,
dann wäre ich jedoch jetzt schon ausgemergelt..)
Naja, Wer könnte es ihnen verübeln, so zu denken?
ICH, mit einem großen Einspruch, Euer Ehren!
Die Sachen des store rooms werden schön eingesperrt, sodass
auch niemand auf die Idee kommen KÖNNTE, sie einmal auszuprobieren und in die
Alltagsgestaltung zu integrieren...
Nicht umsonst werden Obrunis eingesetzt, um die Bastelsachen
auszusortieren und zu ordnen.
Nach 10 Minuten ist nur noch abgespeckt ca. die Hälfte mehr
oder weniger motiviert am Arbeiten. Die Arbeiterzahl zerfällt exponentiell zur
Zeit, wobei die Schranke bei 2 Personen liegt, nämlich den 2 Obrunis. (Bei
dieser Rechnung sei nicht die ghanaische Regel einberechnet, dass auf einen
Arbeiter mindestens 3 kommen, die zuschauen – ihr seht also, die Rechnung geht
von vorne bis hinten nicht auf..)
Was ich damit nicht sagen will ist, dass die Ghanaer dumm
sind. Ghana gehört zu einem Schwellenland; Es gibt Ressorts in der Wirtschaft,
die stark wachsen und dort auch helle Köpfe sitzen. Das ist jedoch bei
gefühlten 99,9% der Bevölkerung noch nicht angekommen.
Es fehlt hier an Entdeckergeist, an Leidenschaft für Dinge,
sich für sie begeistern zu können und damit auch Fähigkeiten zu perfektionieren.
Diese Eigenschaften habe ich bis jetzt nur bei Bänkern und
IT-lern gesehen, die zu einer Besichtigung hier im Kinderheim waren und
versuchten, die Kinder zu Hohem zu motivieren – missglückte bis jetzt.(Diese
Menschen hatten aber auch im Unterschied zu allen teure iPads im Gepäck, eine
der wenigen im ganzen Land...).
Es gehört zur Tagesordnung, angefangene Dinge mit dem Satz
„I can’t do that!“zu beenden.
Ein Obama wäre hier ein Anfang...
Was mich die letzten Wochen hier beschäftigte ist; Braucht
Ghana überhaupt Entwicklungshilfe? Sollte man die afrikanischen Ländern nicht
einfach sich selber überlassen? Haben die zivilisierten Staaten nicht schon
genug angerichtet und machen nicht alles nur noch schlimmer mit ihrem
Schlechtes-Gewissen-Lindern-Hilfen?
Können wir ÜBERHAUPT? helfen?
Helfen wir ihnen wirklich, indem wir für sie Dinge tun, die
sie selber tun könnten?
Lincoln gibt da denke ich eine Antwort.
Uns Europäer kann man leicht abspeisen mit einem Foto, auf
dem ein Weißer mit strahlendem Lächeln das erste Mal einen Brunnen in der Wüste
in Betrieb nimmt, 20 Schwarze lachend dahinter stehend, grinsen für die Kamera.
Ich würde dieser Situation eher unterstellen, dass die
Schwarzen lachen, weil sie in die elendig teure Kamera schauen und nicht, weil
sie gerade einen Brunnen bekommen haben. (Alle sind hier ganz scharf auf Bilder
von sich!)
Natürlich ist es eine Erleichterung für diese Menschen,
einen Brunnen im Dorf zu haben, aber mal ganz ehrlich: sind wir nicht alle
Menschen mit Gehirn? Ist unsere Einsicht, Wasserleitungen zu bauen vom Himmel
gefallen oder gab es jemand mit eigenem selbstständigen Menschenverstand, der
sich hinsetzte? Können die Menschen hier überhaupt selbstständig denken?
Natürlich! Und wenn sie es bis jetzt noch nicht schafften, Wasserleitungen zu
bauen, dann sollten andere Länder ihnen das nicht überstülpen.
Die Menschen aus dem Dorf haben es doch Jahrzehnte trotzdem
geschafft, sich zu ernähren und Wasser zu bekommen, sonst würden sie dort gar
nicht leben?! Ist der Leidensdruck dieser Menschen nicht einfach zu niedrig, um
an ihrem Leben etwas zu ändern?
Gehen wir nun davon aus, das Dorf profitiere von dem
Brunnen. Wenn die Hilfsorganisation diesen Brunnen baut ist es nicht gesagt,
dass die Menschen wirklich wissen, wie dieser funktioniert, das wird dann
sicherlich beigebracht, aber was ist wenn die Weißen abreisen und die Pumpe
geht defekt? Wo gibt es Ersatzteile? Wie werden diese eingebaut?
Ich bin mir sicher in einer Umgebung wie Ghana würde der
Brunnen nicht weiterbenutzt werden; Warum auch reparieren? Wie überhaupt
reparieren? Es ist doch viel einfacher jeden Tag literweise Wasser zu schleppen
– das war doch sonst auch so.
Selbst wenn ein Handwerker hier geordert wird, beginnt es
ein langes unüberwindbares Procedere:
1. Man kann sich schon als überglücklich schätzen, wenn der
(meist ungelernte) Handwerker vor der Tür steht. Dies dauert sicherlich ein
paar Monate.
2. Die nächste Hürde wird sein, dass der Handwerker sich das
Problem anschaut, vielleicht kann er sich im Entferntesten sogar vorstellen,
was und wie es repariert werden soll.
3. Es wird nun ein abstrakter Plan geschmiedet
4. Falls das ghanaische Kommunikationspensum es noch zulässt
wird dem Eigentümer des zu reparierenden Etwasses auch noch mitgeteilt, wie man
vorgehen könnte.
5. Der Handwerker reist ab, denn erst einmal muss Werkzeug
geholt werden.
6. Der Handwerker kommt erst einmal nicht mehr zurück.
7. Wartezeit
Vielleicht kommt er mit Werkzeug zurück, doch meist fallen
80% der Handwerker hier aus dem Rennen...
Wenn wir also über Entwicklungshilfe sprechen reicht es als
Helfer nicht, dass man sich gönnerhaft um das Geld kümmert, um für eine Woche
wieder gut zu schlafen, sondern dass man schaut, was wirklich hilfreich ist!
Die Top 3 der besten Spenden des store rooms, die sicherlich
NICHT hilfreich sind:
1. Ein Swimmingpool!
Sicherlich das erste, was ich kleinen süßen afrikanischen
Kindern spenden würde. Gerade, weil es ja durchaus bekannt ist, dass es überall
zu viel Wasser in Afrika gibt. Der Spender hat sich wenigstens die Mühe
gemacht, ein richtig großes aufblasbares Schwimmbecken zu spenden, damit auch
alle Kinder in den ca. 5m Durchmesser Swimmingpool passen!
2. Bücher en masse in Deutsch und Holländisch
Ich frage mich, ob das eine schlechte Anspielung auf die
Kolonialzeit ist „Lernt UNSERE Sprache, eure ist zu unkultiviert“. Ich bin froh, wenn ich die Kinder überhaupt
auf Englisch verstehe, wie dann auf Deutsch oder Holländisch?
3. Eislöffel
Ich glaube dazu muss ich nicht viel schreiben - es fehlen mir die Worte, schon allein, weil
keines der Kinder je Milcheis gegessen hat und es womöglich in ihrem Leben nie
tun werden.
Die Hilflosigkeit und Ignoranz besteht also auf beiden
Seiten! Auf die der Afrikaner, aber auch der Spender!
Bitte versteht mich nicht falsch: Ich unterstütze
Entwicklungshilfe, Hilfe für kranke Menschen und hilflose der Gesellschaft, die
in diesen Ländern nicht die Unterstützung bekommen, wie bei uns, und die ihnen
zusteht.
Ihr seht mich hier sprachlos über die Denkweise der Menschen
und sprachlos über unsere Fortschrittlichkeit...
Mittwoch, 5. September 2012
Toothbrushing before breakfast
Morgens gibt es bei den Ghanaern immer eine genaue Abfolge
der Dinge. Kaum stehen sie auf, nehmen sie hygienebewusst die Zahnbürste in die
Hand und putzen sich die Zähne!
Alles andere kann warten.
Warum bis nach dem Frühstück warten? Was erledigt werden
kann, wird erledigt. Der ghanaischen Prokrastination ein Ende setzen!
Das Kuriose an dieser Geschichte ist, dass Ghanaer, wie wir
ja auch, davon überzeugt sind, dass SIE die optimale Reihenfolge haben!
Das liegt meines Erachtens jedoch nicht im Geschlecht der
Ghanaer, sondern eher in der natura humana...
Voller Neugier und Freude, schon wieder eine kulturelle
Indifferenz entdeckt zu haben, stürzen sich die andere Voluntärin und ich uns
ins Diskussionsgewühl, warum die Ghanaer im Allgemeinen und die
Kinderheimbewohner im Speziellen diese strenge Reihenfolge einhalten.
Diskussionsgewühl ist hier definitiv eine literarische Hyperbel.
Die einzigen, die reif für eine Diskussion sind, sind die „Studierten“, von den
anderen kann man – zu meinem überdimensional großen Leid - keine große Diskussionsfreudigkeit erwarten.
Wir beginnen, unser Diskussionsgeschick auf die Probe zu
stellen.
Der erste Sozialarbeiter hört sich unsere Argumentation an,
lässt ein paar Gegenargumente wirken und ist schlussendlich von der
europäischen Methode überzeugt. Check.
Äußerst kurios wird es mit den 2 anderen Sozialarbeitern.
Wir versuchen, ihnen unseren Standpunkt zu erklären:
Zähneputzen mache doch nur Sinn, wenn sie auch schmutzig
sind, wenn man sie also abends (was auch in Ghana –meistens- gemacht wird)
putze und man nicht an der „ich-erinnere-mich-nicht-mehr-heute-Nacht-an-den-Kühlschrank-gegangen-zu-sein-und-ihn-leer-gegessen-zu-haben-Krankheit
leide, so gäbe es keinen triftigen Grund, die Zähne morgens wieder zu bürsten,
außer, dass der schlechte Atem, der ja auch in Ghana vorkommen soll, störe,
man dann aber auch bis NACH dem Frühstück warten könne.
Ich vernachlässige die Mundspülung, welche es ja auch noch
irgendwo temporär einzugliedern gäbe, da ich sonst befürchte, dass das System
überladen wird.
Zu unserer Argumentation folgt sogleich der Gegenwind...
Gegenargument der Ghanaer Nummer 1.
Er versucht uns dies anhand eines Vergleichs näherzubringen.
Nachts scheint seiner Meinung nach ein anderer chemischer Verwesungsprozess
vonstatten zu gehen: Wenn man e.g. eine Ananas den Tag drüber draußen hat,
verwest diese viel langsamer als nachtsüber, deshalb(!) legt man sie über Nacht
auch in den Kühlschrank, meine Freunde!
Der Verwesungsprozess nachts über, welcher an den Zähnen vonstatten geht sei
also viel schädlicher und müsse somit morgens gleich nach dem Aufstehen
gestoppt werden!
Ich will ihn fragen, ob das mit ghanaischem Voodoo-Kult zu
tun hätte und ob das Aberglaube wäre, mir fällt jedoch die Vokabel nicht ein,
deshalb lasse ich diesen geistreichen Einwurf lieber...
Gegenargument der Ghanaer Nummer 2.
Falls man abends das Zähneputzen
vergisst, so ist es nicht so schlimm, wenn man es morgens macht.
Gegenargument der Ghanaer Nummer 3.
Es ist einfach richtig so, bitte keine Veränderung!
Um uns von dieser offensichtlich linear abfallenden
Argumentationskette zu begeistern, braucht es sicherlich mehr als 2 Ghanaer.
Sie müssen aber zugeben, dass sie auch mal in einer
Zeitschrift davon lasen, dass es vereinzelt Zahnärzte gäben, die auch
Zähneputzen nach dem Frühstück unterstützen, aber wie gesagt: „vereinzelt“
Warum ich euch diese Anekdote aus dem Leben eines deutschen
Volontärs in Ghana erzähle?
Das Zähneputzen an sich bereitet mir keine Zahnschmerzen, da
die Schwarzen, warum auch immer, AUSNAHMSLOS weiße Zähne haben, die nur so vor
Gesundheit strahlen! (Vielleicht ist an ihrer Theorie ja doch was dran? hihi)
Vielmehr sehe ich es als Ausdruck ihrer Mentalität.
Jeder noch so kleine Tipp – bzw noch so subtile
Diskussionsvorschlag - zur positiven Veränderung und Verbesserung ihrer
Lebenssituation nehmen sie nicht ernst. Mehr noch: Es ist ihnen ein Gräuel!
Sei es das Zähneputzen, das Ausmisten des Store rooms, die
Ordnung in der Library, das Ferienprogramm... Alles ist genauso geistreich, wie
„toothbrushing before breakfast“.
Die einzigen, mit denen ein anständiges Wort gesprochen
werden kann sind die Sozialarbeiter, da diese mehr Ausbildung als das normale
Volk haben.
Man kann also sagen: Je rückständischer die Menschen, desto
dickköpfiger sind sie.
Das ist auch so ein Kritikpunkt an Entwicklungshilfe...
Eine gute Nachricht: Wenn Entwicklungshilfe immer so
erfolgreich wäre, wie in meinem Fall, könnte ich die Welt beherrschen. Von 3
putzt sich ab vorgestern 1 Ghanaer die Zähne NACH dem Frühstück!
Die Verwesungsprozesse am Tag werden es ihm danken.
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