Donnerstag, 17. Januar 2013

Ungerechte Welt?


Jeden Morgen neu stehe ich vor diesem mir subjektiv überdimensionalen Rätsel: Wie geht das?
Ich spreche hier von der anscheinend nicht miteinander in Bezug stehenden Physiognomie und sehr kohlenhydratreichhaltigen Essensweise der Ghanaer.

Es gibt in Ghana nur 3 Sorten Brot: Weißbrot mit viel Zucker, genannt Teabread, dann Weißbrot mit noch mehr Zucker, genannt „sugar bread“, und dann das Weißbrot mit ganz viel Zucker und Kakao, genannt „chocolate bread“. Wir in unserem Kinderheim haben die Möglichkeit zur Wahl zwischen ersterem und zweiterem Weißbrot. Ich habe mir in der Zwischenzeit schon angewöhnt, nicht mehr diesen Kohlenhydrathaufen in mich aufzunehmen, der zwar weich und akzeptabel im Geschmack ist, jedoch ich im Gegensatz zu den Einheimischen die markanten Folgen zu tragen habe.
Ich habe das Gefühl es sind nicht nur Kohlenhydrate enthalten, was ja schon schlimm genug ist, in diesem Brot sind eindeutig Dickmacher!
Dazu gibt es immer einen Porridge, welcher natürlich auch mit viel Zucker verfeinert wurde oder einen Tee oder Milo (der gepanschte Kakao).
Zu dem Tee oder Milo steht jederzeit eine Dose mit „Milch“ zur Verfügung, eigentlich die fetteste Sahne, die man sich vorstellen kann, in Ghana nennt man es aber Milch. In jedem Laden, wenn ich mal wieder lechzend auf Milch bzw. Eiweißjagd bin und ich nach Milch frage versucht mir jeder diese Sahne in der Blechdose schmackhaft zu machen. Es hilft nur manchmal, dass ich ihnen mehrfach sage, ich würde gerne die Milch „from the fridge“, wenn das nicht hilft „from the cow“ und wenn selbst das nicht hilft muss ich auch noch die Kuhgeräusche verbalisieren.
Es kommt sicherlich ein „Oh, sorry, we run out of milk!“. Jaja, sie runnen immer out of allem!
Ich bekomme dann im besten Fall Sojamilch – ist ja fast dasselbe.

Jedenfalls scheint mir alles, was die Europäer fett macht hier nicht anzusetzen. So viel Reis wie ich in den letzten 5 Monaten gegessen habe, habe ich in meinem kompletten Leben noch nicht vertilgt, nur leider versteht mein Stoffwechsel den Ortswechsel noch nicht.

Mir kommt es so vor, als wäre die komplette Biochemie der Schwarzen auf Kohlenhydrate ausgelegt und der Stoffwechsel nur durch diese Nahrung angeregt.

Alle Männer haben einen Sixpack, wenn nicht eight oder ten pack. Die Kinder, sogar die kleinsten Mädchen haben solche Bauchmuskeln, dass es sogar Arnold Schwarzenegger Angst machen sollte.
Der Sozialarbeiter, der eher ein schmächtiger Typ, jedoch trotzdem repräsentativ für Ghanaer ist, schaufelt am meisten „Milch“ in sich rein -das in das Glas schütten scheint bei ihm in Zeitlupe abzulaufen. Die einzige Sportart, die er macht ist Fußball, jedoch auch das nicht regelmäßig, immer mal wieder mit den Kindern. Mir sind schier die Augen ausgefallen, als wir ihn abends wegen des Tankschlüssels aus dem Bett klopfen mussten, ich ihn in einem weißen Unterhemd sah. Ein Körper wie ein „V“. Michael Phelps wäre neidisch! Wie sie Muskeln aufbauen ist die eine Sache, Fakt ist, dass kein Gramm Fett darauf sitzt!

Auf die Frage, die ich einem 17-Jährigen Junge im Kinderheim stellte, wie es möglich sein kann, dass er solche Muskeln hat wie ein deutscher Gleichaltriger, der mindestens 5 Mal die Woche ins Fitnessstudio pumpen geht, meinte er: „I drink water!“.
Ich dagegen würde immer nur Cola und Fanta und Sprite trinken, deshalb hätte ich nicht solche Mördermuskeln wie er. Wie gut, dass er sich hierbei keinen Vorurteilen der Amerikaner bedient. Ich antworte nur: „Ah, thank you, you helped me a lot, now I know“. Gegen diese Dorfweisheiten habe ich schon den Kampf aufgegeben und lächle heroisch. Und zum Glück verstehen Ghanaer prinzipiell keine Ironie.
Apropos Ironie.
Auf die oftgestellte Frage bzw. Aufforderung: „I marry you“ antworte ich manchmal: „sure, I’d love to. When is the date?“. Dies ist zu viel Ironie auf einem Haufen und nur mit so etwas kann man die Ghanaer verblüffen und damit für mehrere Sekunden ruhigstellen und das dann zur Flucht benutzen.
Zurück zum eigentlichen Thema.

Der ehemalige Volontär hat mir das evolutionstechnisch erklärt. Die Schwarzen haben sich so an ihre Umgebung angepasst, dass jedes Gramm Fett nicht angesetzt wird, weil es dann wiederum erhitzt. Zum Beispiel hat hier fast niemand Haare auf den Armen! Die Kinder sind von unserem weißen „Flaum“ ganz hypnotisiert.
Ungerecht ist auch, dass wenn das Fett bei älteren Damen ansetzt, so setzt es am Allerwertesten und an der Oberweite an, und NUR DA! Ungerechte Welt!

Es könnte einem ja ganz ungerecht vorkommen, wenn man das so beobachtet.
Dabei bedenke ich dann aber ein Gespräch mit einer Hausmuttergehilfin, die meinte, sie bemitleidete die Weißen, da wo immer sie auch hinkommen, sie nicht mittanzen könnten, die Schwarzen dagegen könnten überall auf der Welt tanzen. Ich antwortete nur trocken: „Weil alles auf der Welt um Tanzen geht, hast du sogar Recht“.


Ich denke mir nur: Man kann nicht alles haben...

2 Kommentare:

  1. Hi Judith,
    kennst du mich noch? ;)
    Ich sitze hier gerade in Kenia, mache auch einen Kurzzeiteinsatz, erlebe auch den afrikanischen Lyfestyle.
    Ich musste gerade sehr lachen als ich deinen echt guten Artikel gelesen habe. Wollte nur schnell anfügen: Ostafrika ist genauso! :)

    Habe eine gute und gesegnete Zeit in Ghana,
    Clemens

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  2. Clemens! Ja, klar erinnere ich mich! Kommst aber nicht nach Tübingen, oder?

    Wie gefällt dir Kenia? Was machst du dort? Weltwärts? Wirst du nett angenommen?

    Haha :) hoffentlich kannst mir davon mal erzählen wenn du Zuhause bist!
    Ist echt interessant, was man in Afrika alles sieht...
    Danke, das wünsche ich Dir auch, Clemens!

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