Heute waren wir in Accra, der Hauptstadt Ghanas. 2 Obrunis entdecken auf eigene Faust eine Stadt
voll Gewühl von Autos, Schwarzen und Bettlern.
Wir starten sehr früh morgens gegen 6.30, da Autos und Platz
in dieser Region unproportional zueinander existieren: Es gibt zu viele Autos
für die 2 spurigen Straßen, sodass zwischen 8 und 11 Stau in die Stadt hinein besteht,
ab 11 bis 4 Stau IN der Stadt und von 4-7 Uhr wieder Stau auf den Straßen in
die Randgebiete. Somit fahren viele Ghanaer schon um 5 Uhr ins Büro, legen sich
dort noch eine Runde aufs Ohr und fangen dann erst mit der Arbeit an.
Wir kommen noch vor dem großen Ansturm an. Ganz afrikanisch
benutzen wir als Fortbewegungsmittel natürlich die sogenannten „Trotros“.
Trotros sind Sprinter, die zu Bussen umgebaut. sind Wo in
Deutschland eine Beschränkung der Zahl zur
Personenbeförderung zum Schutz der Passagiere besteht (nämlich 8 Personen) wird
in Ghana einfach eingeladen, bis selbst der letzte Obibini keinen Platz mehr
findet. Gestern saßen wir insgesamt zu 19. in dem Trotro, es passen aber
sicherlich 20 hinein. Es ist die billigste Personenbeförderung hier, die auch
von Geschäftsleuten in Anzug benutzt wird, aber auch die gefährlichste. Die
Trotro-Fahrer fahren wie die Henker, somit sind die Zahlen der Trotro-Unfälle
immens hoch. Gefährlich auch, da viele Trotros in sehr schlechtem Zustand sind
und diese auch nicht repariert werden. In Ghana werden alle Gegenstände, seien sie noch so teuer,
benutzt, bis sie in sich zusammen fallen. Das fängt bei der Lampe an und hört bei
den Taxis und Trotros auf. Wenn die Sachen kaputt gehen werden sie weiterbenutzt
oder der Verrottung angeboten.
Wir suchen uns natürlich den Trotro aus, der am besten und
am „neuesten“ aussieht. Man ist ja durch und durch sicherheitsbewusst...
Angekommen in Accra tasten wir uns langsam an die
eingemachten afrikanischen Viertel vor. Uns fallen schnell die frappierenden Unterschiede
zu den deutschen Städten auf: Es ist laut, schmutzig, der Smog brennt in den
Augen, überall wird gehupt, überall passieren Fast-Unfälle...
Das einzig Gute daran, dass wir weiß sind, ist, dass wir die
Straße überqueren können, ohne Angst um unser Leben zu haben, denn es schaut
uns sowieso jeder nach.
Vor diesem Trubel gönnen wir uns noch eine „europäische“
Stärkung: Kaffee am Flughafen und Internetcafé plus eine Toilette mit Spülung
(!!!), wahrscheinlich um die zivilisierten Besucher nicht gleich mit den
afrikanischen Zuständen zu verjagen...
Interessant ist hier auch, dass obwohl Kaffee in Ghana
angebaut wird es mir so vorkommt, dass die Europäer fast ausschließlich für den
Kaffeekonsum zuständig sind und es auch nur das Nescafé KaffeePULVER gibt – man
bzw. ich werde mich sicherlich an dieses gepanschte Pulver in den mir
bevorstehenden Monaten gewöhnen.
Zurück zum Flughafen, bzw. schon auf dem überteuerten
Taxi-Weg zum einheimischen „Makola Market“! Dieser stellt sich wie eine Art
Labyrinth heraus: wir fangen auf der Straße an den Ständen und Läden an, kommen
dann ganz automatisch in eine Art Haus mit Treppenaufgang und ehe wir uns
versehen sind wir in dem Gebäudekomplex (eher eine Ruine) auf 4 Ebenen, wo es selbst
hoch oben keine Wände zur Straßen hin gibt – eine Versuchung für alle
Selbstmordgefährdeten, hier scheint dies jedoch kein größeres Problem zu sein.
Es geht hier mehr ums nackte Überleben, wohingegen man sich in Europa das Leben
samt teurer Robe selbst nimmt.
Von außen ein wirklich atemberaubender Anblick!
Wir kämpfen uns den Weg zwischen allen Obibinis (Schwarzen)
durch, an Schmuck, Schuhen, Stoffen, Cremes, nachgemachten Kosmetikartikeln,
Flechtständen, Kleidungsläden, Tees, Küchenartikeln,... Und auf einmal sind wir
dort, wo wir nicht hinwollten: bei den Essensständen!
Von allen Seiten schauen mich Fischaugen an, selbst
Schweinefüße (man stelle sich ein Schwein vor, hacke vor seinem Auge den
Oberkörper des Schweins ab, und schon hat man die Schweinsfüße samt Knochen und
Gefäße angerichtet auf einem silbernen Tablett, wie auf diesem Market) ... selbst
diese Schweinefüße scheinen mir nachzurennen, die lebenden Krabben mit Panzer
in den Eimern kribbeln mich am ganzen Körper und der Gestank löst in mir
Unbehagen aus. Von allen Seiten scheint tote (oder auch lebendige) Bedrohung
auszugehen. Hinter mir drängen die Schwarzen mit Lasten auf den Köpfen, vor mir
stehen Säcke voll Hafer und unter mir lässt der Boden mich immer wieder fast stolpern.
Ich im Gegensatz zu den hier zu verkaufenden Fischen habe ich nämlich meine
Augen nicht ÜBERALL!
Wir schnappen überall Wortfetzen auf Twee auf, darunter ein
Satz auf Englisch (man wird sofort wissen, warum), gesprochen von einer Mutter
an ihr 4 jähriges Kind: „Look, these are Obrunis (Weiße) and they have a
looooooot of money!“
„Friends“ sein wollen sie trotzdem alle mit den Obrunis,
selbst hier auf dem market rufen uns alle mit „Friend“, das hat wahrscheinlich eher
mit unserem Geld zu tun, anstatt unseres liebenswürdigen Charakters...
Hier den Weg hinaus zu finden gestaltet sich schwieriger als
gedacht! Wir verlaufen uns ein paar mal, laufen im Zickzack, im Kreis, dann
wieder zurück und finden endlich einen Weg nach draußen auf die Straße.
Vollbepackt mit neuerworbenen Sachen stehen wir nun dort
immer noch im Gewühl der Menschen, die uns entweder laut rufen oder uns
anfassen. Ich sage euch: Es ist ein Alptraum, aus dem man schnell wieder
erwachen will!
Der Stau hat in der Zwischenzeit schon die Innenstadt
erreicht und wir flüchten uns nur in ein Taxi ohne Klimaanlage, um am traffic
jam teilzuhaben – dafür sind wir dort sicher vor den schwarzen Aufdringlingen.
Der Taxifahrer bringt uns auf einem riesigen Umweg, da er
selbst den Weg bzw unser Ziel nicht kennt und wir das erstere erst recht nicht,
zum Art-Market.
Ein Paradies für jede Frau! Es gibt echte Ledertaschen zu
einem Spottpreis, die die Verkäufer mit uns runterverhandeln und uns „from
their heart“ verkaufen. Eine eisgekühlte Cola für 50cent darf zur Stärkung
nicht fehlen...
Genug Afrika für heute!
Wir suchen uns einen Ort, wo wir mal nicht angestarrt werden,
nicht „Obruni, Obruni“ sind und unseren
europäischen Bedürfnissen nachgehen können.
Dazu gibt es hier nur eine (aber wenigstens eine!)
Anlaufstelle: Die Accra-mall!
Für alle Ludwigsburger: diese ist auf einem Stock etwa so
groß wie 2 Flügel des Breuningerlandes, für uns mehr als genug!
Eine sprichwörtliche Oase in der Wüste!
Es gibt amerikanisches Fast-Food, sogar „italienische“
Milcheiscreme (nicht wie sonst Kakao aus Wasser und Pulver eingefroren und dann
als Schokoeis verkauft), Supermärkte mit allem, was das Herz begehrt und
Shoppinggeschäfte mit europäischer Haute-Couture bzw Fashion.
Nach all den Slums, die wir gesehen haben nun die andere
Seite der Stadt: die High-Society Ghanas. Hier tummelt sich alles, was Rang und
Namen hat - so auch wir.
Wir kaufen einen cattle für 15€! (Diesen hüten wir jetzt wie
unseren Augapfel: Danke an dieser Stelle für alle, die angeboten haben einen
Wasserkocher zu schicken! Es ist wirklich schön zu wissen, dass Deutschland
sich um mein Wohl hier sorgt und mir auch tatkräftig zur Seite steht!)
Unsere Heiße-Wasser-Dürrezeit ist überstanden. Gott sei
Dank!
Nach 6h Mall sind wir fertig zur Heimreise und vollbepackt
von unserem Einkaufstag.
Die letzte Hürde: ein Taxi finden, was einen angemessenen
Preis verlangt. Nach 20 Minuten haben wir jemanden, der uns nicht ganz so übers
Ohr hauen will und für die 45 minütige Fahrt 30 Cedi nimmt (15€) und nicht wie
die anderen 50. Das Argument „ If I were an Obibini, you would charge 22 cedi,
only because I’m white...!“ hilft hier nicht sehr weiter. Es scheint hier als
gäbe es secret-Preislisten für Fahrten mit Weißen.
Die Taxi-Fahrt ist lustig: Der Taxi-Fahrer benutzt die nicht
existierende „dritte Spur“, um an dem Stau mit 70 km/h vorbeizudüsen. Auf
unsere rhetorische Frage hin, ob er das darf,
strahlt er uns im Rückspiegel mit seinen weißen Zähnen an und lacht. „No, it’s
not allowed!“. Voller Müdigkeit und Ungläubigkeit bekomme auch ich einen
Lachkrampf und frage, warum das nicht alle machen würden. Voller Genugtuung
deutet er auf den fast auseinanderfallenden Trotro 10 Meter vor uns: „He also
does it, you see“.
Ich frage, was passiert, wenn die Polizei ihn erwischt. Er
meint, dass man das natürlich nur machen kann, wenn die Polizei es nicht sieht.
(Ui!) Falls doch, wird er aus dem Auto springen, wegrennen, die Polizei sein
Auto beschlagnahmen und wir sollen uns einfach ein neues Taxi holen. Das hoffe
ich nicht, denn ich habe den Taxifahrer und sein weißes Lachen aus der
Zahnpastawerbung schon in mein Herz geschlossen, genauso wie den „fairen“
Preis, den er uns machte...
Mit Kopfweh, neuen Eindrücken, völlig dehydriert, schmutzig
und müde fallen wir in unsere Betten und hoffen, dass unsere Verdauung das
Breitengrad-Food-Hopping mitmacht... – Sie tut es nicht.
Wow, Ihr dürft euch Detlef D! Soost- like auf die Schulter
klopfen, wenn Ihr es bis hier unten geschafft habt!
Ich danke euch, dass Ihr so an meinem Leben teilhabt!
Es war ein langer Tag, voll von neuen Erfahrungen und
Bildern! Man kann es kaum in Worte fassen, ich selbst kann es kaum fassen, wie
die Menschen hier in dem für uns herrschenden „Chaos“ leben. (Um es mit den
Worten des netten Taxi-Fahrers auszudrücken: „you get used to it – I’m a real
Accra-Boy!“)
Ich halte euch auf dem Laufenden! Küsschen an alle!
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