Dienstag, 28. August 2012
Ein Frosch zum Küssen - prinzenähnlicher Besuch
Voll Freude ihrerseits und Wehmut meinerseits über den
letzten Abend der anderen Voluntärin werden wir beide vom abendlichen Programm
freigestellt.
Wo besser kann man eine last-evening-celebration feiern, als
im weniger romantischen Restaurant am romantischen Strand!
Zu diesem Anlass rückt der Barkeeper sogar einen hier wohl
nicht so üblichen Gin Tonic à Africa (Dry Gin mit SPRITE! o.O) heraus.
Ich
vergewissere euch an dieser Stelle: Alles kann als Gold erscheinen, was unter anderen Umständen
zu Blei dünkt...
Voller Erschöpfung über unser Leben fallen wir für
ghanaische Verhältnisse spät um 11 Uhr ins Bett: Der Schlaf lässt in meinem
Falle nicht lange auf sich warten..
Gegen 12 Uhr in der Nacht werde ich das erste Mal unsanft geweckt, indem
jemand an meinem Fuß zieht und mir versucht die Decke wegzuziehen. Es ist die
andere Voluntärin.
Schlaftrunken betätige ich 9% meiner Augenlidmuskeln und
öffne meine Augen einen Spaltbreit. Ich sehe verschwommene Umrisse von einer in
Panik geratenen Kollegin.
„Icch glaube wirr haben einen Frrosch hierr drrin!“ erklingt
ihre verzagte Stimme mit schweizerischem Akzent.
Sie unterrichtet mich, dass sie die Toilette aufsuchte und
sie befürchtet, dass eine Amphibie ungefragt in unser Schlafgemach eingebrochen
ist.
Ich verstehe nur: „keine akute Spinnengefahr“, fasle etwas
von „wir können jetzt sowieso nichts machen“ und lasse die andere Voluntärin
mit ihrem Elend alleine.
(Erklärung meinerseits hierzu: Der Frosch hat sich
höchstwahrscheinlich den Weg aus der Kloleitung in unser Klo gebahnt und ist
somit in unser Bad eingedrungen. Das hängt damit zusammen, dass die Klospülung
ihrerseits nur mit einem Eimer Wasser unsererseits funktioniert. Die
Wasserspülung ist somit wohl für einen wohlernährten Frosch, der es sich in der
Kloleitung bequem macht, nicht genug Widerstand - oder er kam durch die Dusche)
Eine Stunde später werde ich wieder geweckt.
Jetzt höre auch ich unseren ungeliebten Zimmergast: Unter
ihrem Bett versucht der Frosch sich in der Ecke hochzuarbeiten.
Langsam verstehe ich, wenn auch mit halber Motivation,
dass wir, wenn uns unser Leben lieb ist, wirklich etwas unternehmen müssen.
Ich checke die Lage, hüpfe von einem Fuß auf den anderen aus
Angst vor einem mich angreifenden Frosch, der sicherlich in jedem Moment unter
meinen Füßen hindurchhuscht.
Da ich jedoch noch keine Erfahrung mit 7cm großen Fröschen
und ihrer Vorliebe für Voluntärinnen gemacht habe, versuche ich die
Problemlösung mal auf die ghanaische Art – ich bin ja anpassungsfähig.
Mir kommt dies in meinem schläfrigen Zustand sowieso sehr
entgegen: Ich lege mich wie ein Hund ins Bett und versuche es mit dem
ghanaischen Leitsatz „IT WILL GO!“.
Es, bzw. er denkt gar nicht dran und rumort weiter.
Hoch interessant: Jetzt haben wir beide Problemlösungsansätze
im direkten Vergleich. Ich erinnere mich duster an meine deutsche Intuition in
solchen Fällen und fange an, den Frosch zu studieren.
Ich weiß noch vom Biologieunterricht der 5. Klasse –danke
Frau Pott an dieser Stelle – dass Frösche das Nasse suchen. Abgesehen von der
hohen Luftfeuchtigkeit hier ist es also nicht verwunderlich, bringt uns in
unserem Falle jedoch nicht viel weiter.
Wir beobachten die Reaktionen des Frosches, hantieren mit
Licht, Mückenspray und Stöcken.
Es zieht diesen Schurken tatsächlich in die Dunkelheit,
Mückenspray tangiert ihn peripher und Stöcke sind zum Wegdirigieren hilfreich.
Wir verwenden dieses neugewonnene elaborierte Wissen nun zur
Froschbekämpfung.
Einen kurzen Moment ziehe ich noch eine liebevollere
Variante zu Rate, dass ich ihn vielleicht küssen sollte, kann in dem Moment
jedoch das Mädchen aus dem Märchen und ihren riesigen Ekel vor dem
Inkognito-Prinzen besser nachfühlen als je zuvor und entscheide mich gegen den
Prinzen. Andere Mütter haben sicherlich schönere Söhne...
Wir jagen den Frosch also von Ecke zu Ecke, lassen immer mal
wieder Ekelschreie ertönen und bekommen ihn dann endlich soweit, dass er sich
in die Ecke zwischen Tür und Türrahmen quetscht.
Wir triumphieren schon, doch zu früh.
Aus deutscher Sicht wäre dieser Problemfall gelöst, jedoch
nicht auf ghanaischem Terrain: Die Moskitozweittür vor der Tür, die uns gegen
ungeliebte Moskitobesucher schützen soll! Wir müssen ihn also durch noch eine
Tür bringen!
Der Frosch freut sich über sein Heimspiel, bläht seine
Backen auf und arbeitet sich den Weg durch den Türspalt.
Bestandsaufnahme: Eine Voluntärin draußen im Dunkeln, die
andere mit dem Frosch im Hellen, man weiß nicht, was besser ist, denn beide
schreien.
Da hilft nur noch deutscher Erfindergeist...
Wir präparieren ein Froschgehege aus Schranktüren, um den
Frosch auf den richtigen Weg zu bringen, nämlich schleunigst in den Flur.
Innerhalb von 5 Minuten springt der Frosch voll Freude nach
draußen und darf nun die Kinder ärgern.
Wir lassen uns in die Laken fallen und träumen von
Froschsuppe.
Am nächsten Morgen erzählen wir voll Stolz von unserer
Froschjagd. Die Sozialarbeiter lassen nur ein „Ihr hättet ihn küssen sollen“
verlauten.
Genau, den Frosch aus der Toilette!
Eine Hausmutter meint bei solchen Hysterien der
zivilisierten Bevölkerung mit einem Appell an die Vernunft weiterzukommen: „er
ist doch viel kleiner als ihr, kein Grund zur Sorge!“
Für mich ist das nur eine Erklärung, die Faulheit zu
rechtfertigen.
Wenn mich jetzt Kinder rufen und "MaJudith, MaJudith, there is a frog" schreien, antworte ich erstaunt: "a frog?!?! where is it from?!?!"
Mein erster Tag in der Hauptstadt
Heute waren wir in Accra, der Hauptstadt Ghanas. 2 Obrunis entdecken auf eigene Faust eine Stadt
voll Gewühl von Autos, Schwarzen und Bettlern.
Wir starten sehr früh morgens gegen 6.30, da Autos und Platz
in dieser Region unproportional zueinander existieren: Es gibt zu viele Autos
für die 2 spurigen Straßen, sodass zwischen 8 und 11 Stau in die Stadt hinein besteht,
ab 11 bis 4 Stau IN der Stadt und von 4-7 Uhr wieder Stau auf den Straßen in
die Randgebiete. Somit fahren viele Ghanaer schon um 5 Uhr ins Büro, legen sich
dort noch eine Runde aufs Ohr und fangen dann erst mit der Arbeit an.
Wir kommen noch vor dem großen Ansturm an. Ganz afrikanisch
benutzen wir als Fortbewegungsmittel natürlich die sogenannten „Trotros“.
Trotros sind Sprinter, die zu Bussen umgebaut. sind Wo in
Deutschland eine Beschränkung der Zahl zur
Personenbeförderung zum Schutz der Passagiere besteht (nämlich 8 Personen) wird
in Ghana einfach eingeladen, bis selbst der letzte Obibini keinen Platz mehr
findet. Gestern saßen wir insgesamt zu 19. in dem Trotro, es passen aber
sicherlich 20 hinein. Es ist die billigste Personenbeförderung hier, die auch
von Geschäftsleuten in Anzug benutzt wird, aber auch die gefährlichste. Die
Trotro-Fahrer fahren wie die Henker, somit sind die Zahlen der Trotro-Unfälle
immens hoch. Gefährlich auch, da viele Trotros in sehr schlechtem Zustand sind
und diese auch nicht repariert werden. In Ghana werden alle Gegenstände, seien sie noch so teuer,
benutzt, bis sie in sich zusammen fallen. Das fängt bei der Lampe an und hört bei
den Taxis und Trotros auf. Wenn die Sachen kaputt gehen werden sie weiterbenutzt
oder der Verrottung angeboten.
Wir suchen uns natürlich den Trotro aus, der am besten und
am „neuesten“ aussieht. Man ist ja durch und durch sicherheitsbewusst...
Angekommen in Accra tasten wir uns langsam an die
eingemachten afrikanischen Viertel vor. Uns fallen schnell die frappierenden Unterschiede
zu den deutschen Städten auf: Es ist laut, schmutzig, der Smog brennt in den
Augen, überall wird gehupt, überall passieren Fast-Unfälle...
Das einzig Gute daran, dass wir weiß sind, ist, dass wir die
Straße überqueren können, ohne Angst um unser Leben zu haben, denn es schaut
uns sowieso jeder nach.
Vor diesem Trubel gönnen wir uns noch eine „europäische“
Stärkung: Kaffee am Flughafen und Internetcafé plus eine Toilette mit Spülung
(!!!), wahrscheinlich um die zivilisierten Besucher nicht gleich mit den
afrikanischen Zuständen zu verjagen...
Interessant ist hier auch, dass obwohl Kaffee in Ghana
angebaut wird es mir so vorkommt, dass die Europäer fast ausschließlich für den
Kaffeekonsum zuständig sind und es auch nur das Nescafé KaffeePULVER gibt – man
bzw. ich werde mich sicherlich an dieses gepanschte Pulver in den mir
bevorstehenden Monaten gewöhnen.
Zurück zum Flughafen, bzw. schon auf dem überteuerten
Taxi-Weg zum einheimischen „Makola Market“! Dieser stellt sich wie eine Art
Labyrinth heraus: wir fangen auf der Straße an den Ständen und Läden an, kommen
dann ganz automatisch in eine Art Haus mit Treppenaufgang und ehe wir uns
versehen sind wir in dem Gebäudekomplex (eher eine Ruine) auf 4 Ebenen, wo es selbst
hoch oben keine Wände zur Straßen hin gibt – eine Versuchung für alle
Selbstmordgefährdeten, hier scheint dies jedoch kein größeres Problem zu sein.
Es geht hier mehr ums nackte Überleben, wohingegen man sich in Europa das Leben
samt teurer Robe selbst nimmt.
Von außen ein wirklich atemberaubender Anblick!
Wir kämpfen uns den Weg zwischen allen Obibinis (Schwarzen)
durch, an Schmuck, Schuhen, Stoffen, Cremes, nachgemachten Kosmetikartikeln,
Flechtständen, Kleidungsläden, Tees, Küchenartikeln,... Und auf einmal sind wir
dort, wo wir nicht hinwollten: bei den Essensständen!
Von allen Seiten schauen mich Fischaugen an, selbst
Schweinefüße (man stelle sich ein Schwein vor, hacke vor seinem Auge den
Oberkörper des Schweins ab, und schon hat man die Schweinsfüße samt Knochen und
Gefäße angerichtet auf einem silbernen Tablett, wie auf diesem Market) ... selbst
diese Schweinefüße scheinen mir nachzurennen, die lebenden Krabben mit Panzer
in den Eimern kribbeln mich am ganzen Körper und der Gestank löst in mir
Unbehagen aus. Von allen Seiten scheint tote (oder auch lebendige) Bedrohung
auszugehen. Hinter mir drängen die Schwarzen mit Lasten auf den Köpfen, vor mir
stehen Säcke voll Hafer und unter mir lässt der Boden mich immer wieder fast stolpern.
Ich im Gegensatz zu den hier zu verkaufenden Fischen habe ich nämlich meine
Augen nicht ÜBERALL!
Wir schnappen überall Wortfetzen auf Twee auf, darunter ein
Satz auf Englisch (man wird sofort wissen, warum), gesprochen von einer Mutter
an ihr 4 jähriges Kind: „Look, these are Obrunis (Weiße) and they have a
looooooot of money!“
„Friends“ sein wollen sie trotzdem alle mit den Obrunis,
selbst hier auf dem market rufen uns alle mit „Friend“, das hat wahrscheinlich eher
mit unserem Geld zu tun, anstatt unseres liebenswürdigen Charakters...
Hier den Weg hinaus zu finden gestaltet sich schwieriger als
gedacht! Wir verlaufen uns ein paar mal, laufen im Zickzack, im Kreis, dann
wieder zurück und finden endlich einen Weg nach draußen auf die Straße.
Vollbepackt mit neuerworbenen Sachen stehen wir nun dort
immer noch im Gewühl der Menschen, die uns entweder laut rufen oder uns
anfassen. Ich sage euch: Es ist ein Alptraum, aus dem man schnell wieder
erwachen will!
Der Stau hat in der Zwischenzeit schon die Innenstadt
erreicht und wir flüchten uns nur in ein Taxi ohne Klimaanlage, um am traffic
jam teilzuhaben – dafür sind wir dort sicher vor den schwarzen Aufdringlingen.
Der Taxifahrer bringt uns auf einem riesigen Umweg, da er
selbst den Weg bzw unser Ziel nicht kennt und wir das erstere erst recht nicht,
zum Art-Market.
Ein Paradies für jede Frau! Es gibt echte Ledertaschen zu
einem Spottpreis, die die Verkäufer mit uns runterverhandeln und uns „from
their heart“ verkaufen. Eine eisgekühlte Cola für 50cent darf zur Stärkung
nicht fehlen...
Genug Afrika für heute!
Wir suchen uns einen Ort, wo wir mal nicht angestarrt werden,
nicht „Obruni, Obruni“ sind und unseren
europäischen Bedürfnissen nachgehen können.
Dazu gibt es hier nur eine (aber wenigstens eine!)
Anlaufstelle: Die Accra-mall!
Für alle Ludwigsburger: diese ist auf einem Stock etwa so
groß wie 2 Flügel des Breuningerlandes, für uns mehr als genug!
Eine sprichwörtliche Oase in der Wüste!
Es gibt amerikanisches Fast-Food, sogar „italienische“
Milcheiscreme (nicht wie sonst Kakao aus Wasser und Pulver eingefroren und dann
als Schokoeis verkauft), Supermärkte mit allem, was das Herz begehrt und
Shoppinggeschäfte mit europäischer Haute-Couture bzw Fashion.
Nach all den Slums, die wir gesehen haben nun die andere
Seite der Stadt: die High-Society Ghanas. Hier tummelt sich alles, was Rang und
Namen hat - so auch wir.
Wir kaufen einen cattle für 15€! (Diesen hüten wir jetzt wie
unseren Augapfel: Danke an dieser Stelle für alle, die angeboten haben einen
Wasserkocher zu schicken! Es ist wirklich schön zu wissen, dass Deutschland
sich um mein Wohl hier sorgt und mir auch tatkräftig zur Seite steht!)
Unsere Heiße-Wasser-Dürrezeit ist überstanden. Gott sei
Dank!
Nach 6h Mall sind wir fertig zur Heimreise und vollbepackt
von unserem Einkaufstag.
Die letzte Hürde: ein Taxi finden, was einen angemessenen
Preis verlangt. Nach 20 Minuten haben wir jemanden, der uns nicht ganz so übers
Ohr hauen will und für die 45 minütige Fahrt 30 Cedi nimmt (15€) und nicht wie
die anderen 50. Das Argument „ If I were an Obibini, you would charge 22 cedi,
only because I’m white...!“ hilft hier nicht sehr weiter. Es scheint hier als
gäbe es secret-Preislisten für Fahrten mit Weißen.
Die Taxi-Fahrt ist lustig: Der Taxi-Fahrer benutzt die nicht
existierende „dritte Spur“, um an dem Stau mit 70 km/h vorbeizudüsen. Auf
unsere rhetorische Frage hin, ob er das darf,
strahlt er uns im Rückspiegel mit seinen weißen Zähnen an und lacht. „No, it’s
not allowed!“. Voller Müdigkeit und Ungläubigkeit bekomme auch ich einen
Lachkrampf und frage, warum das nicht alle machen würden. Voller Genugtuung
deutet er auf den fast auseinanderfallenden Trotro 10 Meter vor uns: „He also
does it, you see“.
Ich frage, was passiert, wenn die Polizei ihn erwischt. Er
meint, dass man das natürlich nur machen kann, wenn die Polizei es nicht sieht.
(Ui!) Falls doch, wird er aus dem Auto springen, wegrennen, die Polizei sein
Auto beschlagnahmen und wir sollen uns einfach ein neues Taxi holen. Das hoffe
ich nicht, denn ich habe den Taxifahrer und sein weißes Lachen aus der
Zahnpastawerbung schon in mein Herz geschlossen, genauso wie den „fairen“
Preis, den er uns machte...
Mit Kopfweh, neuen Eindrücken, völlig dehydriert, schmutzig
und müde fallen wir in unsere Betten und hoffen, dass unsere Verdauung das
Breitengrad-Food-Hopping mitmacht... – Sie tut es nicht.
Wow, Ihr dürft euch Detlef D! Soost- like auf die Schulter
klopfen, wenn Ihr es bis hier unten geschafft habt!
Ich danke euch, dass Ihr so an meinem Leben teilhabt!
Es war ein langer Tag, voll von neuen Erfahrungen und
Bildern! Man kann es kaum in Worte fassen, ich selbst kann es kaum fassen, wie
die Menschen hier in dem für uns herrschenden „Chaos“ leben. (Um es mit den
Worten des netten Taxi-Fahrers auszudrücken: „you get used to it – I’m a real
Accra-Boy!“)
Ich halte euch auf dem Laufenden! Küsschen an alle!
Das zivilisierte Menschenrecht: Der Wasserkocher
Heute morgen beschlossen die andere Voluntärin und ich, dass
wir unser Bettzeug waschen würden (Grund dafür sind Bettläuse, die wir bei ihr
vermuten), doch nicht auf die ghanaische Art: grün-braunes Flusswasser mit
OMO-Waschmittel, sondern auf die Deutsche: kochend heißes Trinkwasser mit
Antiseptikum und Waschmittel.
Die Wasserkocher sind wohl durch und durch ghanaisch. Faul
und überlastet bei mehrmaligem Benutzen, aber dazu später.
Wir fangen zu Waschen an, um die vermeintlichen Tierchen mit
dem kochend heißen Wasser abzutöten.
Beim 4. Mal Wasserkochen– ich befinde mich gerade im
Nebenraum und wasche das Bettlaken – fängt es zu riechen an. Etwas angeschmort
riecht es. Das Antiseptikum? Eine chemische Reaktion mit meiner weißen
deutschen Hand? Verbrennt gerade meine Haut von dem kochend heißen Wasser?
Ich nehme kaltes Wasser und gieße es über meine Hand.
Ist es vielleicht die Bettwäsche die riecht? Die abgetöteten
Tierchen?
Wohl nichts von alledem.
Gut, also wasche ich emsig weiter.
Ich rieche nun nicht nur noch Angeschmortes, nun sehe ich
auch noch eine Rauchschwade um meine Nase schlawänzeln.
Ich renne ins Zimmer und sehe den cattle in Flammen
aufgehen!
Das Wasser ist angeschmort, das Plastik schwarz angekokelt
und an der Kontaktstelle steigt eine rot-gelbe Flamme empor, die immer höher
wächst.
Ich schnappe den Wasserkocher und renne erst einmal im
Zickzack durch das Zimmer. Wo abstellen? Immerhin könnte er in die Luft gehen
und ich gleich mit!
Ich stelle ihn auf die Duschabsperrung und kippe Wasser über
das Spektakel. Noch einmal gut gegangen.
Ich schaue mich nun im Raum um: es schwebt eine Rauchwolke
über den Möbeln und dem Boden.
Fenster auf!
Doch damit nicht genug...
„MaMelanie! MaMelanie!“, ruft es draußen von den Kindern.
„No, it’s just MaJudith in here!“, rufe ich.
„What happened, MaJudith?“
Die ganze girls-house-Mannschaft versammelt sich vor meiner
Tür samt den Hausmüttern.
„The cattle burnt!“, gebe ich nur von mir mit einer Mischung
aus Scham und unterdrücktem Lachen über die Verzweiflung, die sich in mir breit
macht.
Verzweiflung darüber, was jetzt fehlen wird, da wir keinen
Wasserkocher mehr haben! Ein cattle ist hier nämlich aus meiner Sicht
überlebensnotwendig!!!
Nicht nur, dass er mir ein Stück Heimat nach Ghana bringt,
indem ich mir regelmäßig einen Tee koche, sondern ganz europäisch-menschliche
Bedürfnisse werden mit ihm gestillt, wie warmes Wasser zum Duschen(!), Shampoo
aus den Haaren zu bekommen (was sich als unmöglich mit dem kalten Pendant
gestaltet),
Kleider waschen mit heißem Wasser, Unterwäsche kochen, etc.
Ich könnte die Liste weiterführen: Der Punkt ist:
Wasserkocher gehören zu den profunden zivilisierten Menschenrechten hier in
Ghana – meines Erachtens.
Um dieses Problem auf die ghanaische Art zu behandeln legen
wir uns erst einmal aufs Bett und dösen eine Runde. Sowieso: Über jedes Problem
muss hier erst einmal meditiert werden, auf dem Bett mit geschlossenen Augen
und heruntergefahrener Atmung, bis man wieder aufwacht und Hilfe holen kann,
die das Problem mit der gleichen Prozedur anfangend „behandelt“ . Die Hilfe kam
bis jetzt nicht.
Der zivilisierte Europäer mag darüber schmunzeln – meine
kleine Welt hier in Ghana ist wegen des brennenden Wasserkochers zusammengebrochen.
Vielleicht muss ich dazu einmal die Wassersituation in Ghana
beleuchten.
Ca. 14-18% der Haushalte in Ghana haben eine Toilette. Eine
Toilette ist also Luxus. Ich als weißer Voluntär kann mich als regelmäßiger stolzer
Besucher einer Toilette erfreuen.
Eine Toilette ist jedoch in Ghana einfach eine Toilette,
damit sei nicht gesagt, dass man damit gleich Wasser zum Spülen hat, das haben
sogar die Villen außerhalb der Stadt nicht.
Woher ich das weiß? Das sieht man an den schwarzen Tanks.
Wasser, sei es Trinkwasser, Toilettenspülwasser,
Waschwasser,... wird aus schwarzen „tanks“ gezapft. Jeden bzw jeden zweiten Tag
muss also Wasser von den Tanks geholt werden. Duschen funktioniert hier mit der
sogenannten „bucket-shower“: Ein kleiner Eimer, der über den Körper geleert
wird (es geht besser als man denkt...!)
Die Toilette hat keine Spülung, es wird manuell nachgespült
– mit dem Wasser, was man aus dem Tank holt.
Diese Variante ist für die „Reichen“ bzw. auch für die
Weißen. Die Kinder im Kinderheim benutzen Flußwasser zum Duschen, WC-Spülen und
Waschen. Die Bestandteile des Wassers will ich wie bei vielem hier gar nicht
haargenau aufgelistet bekommen.
Sei schlau, bleib dumm.
Wie die Einheimischen hier ihr Geschäft verrichten durfte
ich mit Ekel wahrnehmen.
Das Dorf Prampram besteht aus ca. einer langen Straße, an
der Straßenseite stehen Hütten, die bewohnt werden und davor hat fast jede
Hütte einen Stand, an dem sie Früchte oder Handykarten verkaufen.
An der Seite führt ein vertrocknetes Etwas zwischen Kanal
und Bach. Gefüllt mit schwarzen Tütchen. Ich muss wohl nicht erzählen, was sich
in diesen befindet... Wenn es mal schnell gehen muss kann man sich auch – wenn
das Schamgefühl ganz verdrängt wird – an den Rand des Etwases stellen und sein
Geschäft auf der main- und einzigen road des Dorfs verrichten.
Ich verbleibe mit ganz lieben Grüßen und hoffe, dass Ihr
heute und morgen und vielleicht auch die nächste Woche (oder länger J ) dankbar für euer
fließendes Wasser und euren Wasserkocher seid ;)
Änderung
Meine lieben Freunde und Leser,
nachdem ich das Gefühl habe, dass mein anderer Blog von sehr vielen WLANs, mit denen ich hier im Internet bin, nicht unterstützt wird und ich deswegen seit Tagen nichts mehr hochladen konnte - ich entschuldige mich dafür! - habe ich mich entschlossen die Welt des Internets um ein Millionstelstellchen zu erweitern, indem ich mir noch einen Blog erstelle.
Ich hoffe, damit kann ich den ghanaisch technischen Ungereimtheiten aus dem Wege gehen...
Enjoy!
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