Ich hatte ja schon so eine Vorahnung, als wir uns vor einem
Jahr für eine Safari entschieden. Voll Vorfreude und dem vollen Bewusstsein,
welch privilegierte Tochter - man kann auch sagen verwöhnte Göre - ich bin, mit
meiner Mutter so eine riesige Reise antreten zu dürfen. Nun gut.
Die Vorahnung wurde mir durch das humoristische Meisterwerk
„Hummeldumm“ von Thomas Jaud gefüttert (wobei ich den Vorgänger „Millionär“ des
gleichen Autors für noch empfehlenswerter empfinde, wenn man es mit der Intension
liest, sich abends im Bett vor Lachen zu kringeln.). Ich hoffte natürlich, dass
mein Aufenthalt in diesem paradiesischen Teil der Erde doch nicht ganz so
mitleidungswürdig ist wie der des Protagonisten Matze.
Schnell zu meinem eigenen Hummeldumm à la Springers.
Die Reise beginnt am Frankfurter Flughafen. Ich kann mich
schon schlecht auf meine mal wieder zu optimistisch einkalkulierte
Urlaubslektüre konzentrieren, da ich von meiner tiefen Neugier und detektivistischen
Entdeckergeist geritten werde, meine mitreisenden Safaristen zu identifizieren.
Die Trefferquote liegt bei ca. 65%. Gar nicht mal so übel für die erste Safari.
Jeder wird erst einmal für verdächtig befunden, der über der Blütezeit der 55er
Jahresgrenze liegt, wenn möglich grauhaarig, etwas besser situiert wirkt, eher das Gegenteil von abenteuerlustig und
vor Allem ein spießiges Abziehbild eines Forschers darstellt. Nun gut, nicht
alle der 22 Safaristen passt in dieses Bild; Meine holde Mutter und ich
bestätigen zum Beispiel nicht alle Vorurteile.
Angekommen in Johannesburg strömen wir mit allen
Ankömmlingen zur Passkontrolle. Nun, ein äußerst gebildeter Mensch pflegte zu
sagen: Nur die toten Fische schwimmen mit dem Strom, was in diesem Fall gar
nicht verkehrt ist. Mit der mir schon bekannten afrikanischen Freundlichkeit werden
wir nach 30 Minuten Warten und sekündlichem Handtaschen-auf-Boden-Vorschieben dezent
darauf aufmerksam gemacht, dass wir an der falschen Passkontrolle sind, denn
wir müssen ja noch weiter nach Namibia. Wie gut, dass wir uns dann nicht zu
„Foreign Passports“ anstellen müssen.
Ich bin schon zufrieden, dass uns das niemand mit einem Kopfzischer
und dazu passenden „Ssssssss“ zu Verstehen
gibt, wie ich das in Ghana gewohnt bin. Durch dunkle, verlassene, nicht endende
Gänge laufen wir zur nächsten Passkontrolle mit einem österreichischen Ehepaar.
Meine Mutti schon wieder sichtlich in Stress, was der Ruf der afrikanischen Check-In-Tante „Rrrrrun!
Rrrrrrun!“ nicht verbessert.
Hui, wenn das eine Afrikanerin sagt, muss das etwas heißen,
denke ich mir. Ein halbes Jahr Ghana färbt jedoch ab, meine Freunde. Alles ganz
realxed! Wird schon nicht ohne uns starten, der Flieger. Meine Mutter, die
diese Prägung nicht erleben durfte befürchtet anderes und rennt schnurstracks
durch den Security-Check. Verdattert stehen alle Menschen da -das
österreichische Senioren-Ehepaar, welches uns begleitet, und ich
eingeschlossen- und schauen ihr nach. Sichtlich unangenehm berührt versuche ich
meine Stimme nicht zu sehr zu erheben, rufe ihr doch hinterher, dass wir den
Sicherheits-Check nicht vernachlässigen dürfen.
„We have to do it fast!!!“ ruft sie dem Sicherheitspolizisten zu während
sie wieder den Rückwärtsgang einlegt. Dieser zu überfordert, um eine angemessene
Antwort parat zu haben repliziert „Yes, you have to hurrrrry up!“. Meine Mutter
denkt, das sei der Freischein zum Passieren, schmeißt ihre Tasche auf das
Laufband und rennt mit Winterjacke, Rucksack auf dem Rücken, durch den
Piep-Bogen. Verwirrung ist nun so weit gestiftet, dass die Sicherheitsbeamten
noch nicht einmal die Wasserflasche und die zwei deutschen Äpfel herausfischen können.
Spätestens jetzt wünsche ich mir für ein paar Sekunden schwarz zu sein. Wir
rennen nun durch den halben Johannesburger Flughafen, wobei genau genommen meine
Mutter rennt und ich eher laufe.
Das Boarding hat noch nicht einmal angefangen – so viel
dazu!
Die Gruppe scheint mir erst einmal etwas lahm und
langweilig, wird wohl doch nichts mit Hummeldumm-Nacherleben. Ich weiß hier
jedoch noch nicht, was ich später weiß.
Der erste Tag einer fantastischen Reise beginnt mit einer
kleinen Stadtrundfahrt durch Windhoek, der Hauptstadt Namibias, die den
Anschein von Las Vegas hat: In einer kompletten Öde und wüstenartigen Umgebung
sprießt plötzlich eine florierende Stadt heraus, deren Asphalt vor Hitze und
Trockenheit fast schmilzt.
Namibia scheint ganz anders als Ghana. Viele Weiße, ein
kleines zusammengewürfeltes Europa mit schwarzen Bediensteten, um es
übertrieben zu sagen. Weiße scheinen hier fast schon die maximal pigmentierte
Bevölkerung zu übervölkern, ich erfahre aber später, dass die Weißen nur 0,6%
der Gesamtbevölkerung Namibias darstellen. Ich glaube nur Statistiken, die ich
selber gefälscht habe, bin mir also noch nicht sicher, ob ich dieser Zahl
glauben kann. Chinesen sind hier die unwillkommenen Gäste. Sie bedienen sich
10% der Statistik, man sieht sie aber kaum, da sie nur arbeiten, doch zu allem
Übel das ganze Geld an chinesische Firmen geht, sowie das minimale
Arbeitnehmergehalt. Unliebsam benannt „Parasiten“.
So viel zur ersten namibischen Landeskunde.
Schon schnell kristallisiert sich mein Favorit unter meinen
doch offensichtlich älteren Mitreisenden. Dieser gute alte Herr, welcher mich
mit seinem Humor sehr an meinen eigenen Opi erinnert. Ein spitzbübiger Rentner mit ostdeutschem
Akzent, dazu stolzer Besitzer einer Sonnenschutzkappie mit der Aufschrift „Ich
bin Pensionär, da hab' ich keine Zeit mehr“. Er ist etwas kleiner als ich, findet
aber, dass er die Mindestmasse einhält und hat auf jede noch so komische wie
auch aussichtslose Situation ein noch viel komischeren Kommentar. Er gehört zu
der Gruppe Mensch, bei der ich schon grinse, wenn nicht lache, wenn ich
ihn schon sehe, weil ich genau weiß, dass er jetzt einen Klops nach dem anderen
raushaut. Er läuft hier täglich mit einem T-Shirt von Ho Che Nim rum, ein
chinesisches Vorbild, außer Acht lassend, dass Chinesen in Namibia so gern
gesehen sind wie Kobras, aber das ist ihm egal. Ich weiß seinen Namen immer
noch nicht, er ist aber auch der Typ für keinen Namen, denn keiner würde ihm
gerecht werden. Ich nenne ihn aber mal Helmut, das ist für weitere Erzählungen
einfacher.
Die Gruppe ist bunt zusammengemischt. Viele Ehepaare, die
schon auf der ganzen Welt waren.
Eine flippige unabhängige Italienerin, eine geschiedene
Frankfurterin, mit hessischem Akzent, ein zum knuddelnder Chemie-Forscher, mit
dem ich schon mit meinen nicht existierenden Chemie-Kenntnisse über die
Atomendlagerung fachsimpelte, samt seiner domestizierenden Ehefrau, die aber
entschieden etwas gegen die Domestizierung von Raubkatzen hat und deshalb
unseren Besuch bei Geparden boykottierte.
Viele mehr, das werdet ihr im Verlauf meiner hoffentlich
vielen Geschichte merken.
Kinners! Es ist schon spät, heute eine Wanderung auf Dünen
gemacht, durch einen Canyon gelaufen, mit dem Schock gelebt den ganzen
Geldbeutel verloren zu haben...
Hiermit schon ein kleiner Vorgeschmack auf den folgenden Blogeintrag! Schlaft gut.